Wallenstein (German Edition)
Papst salben zu lassen, und daß ein neuer Ferdinand Römischer König werden solle: »Ghibellinen! Ghibellinen!« An der Moles Hadriani, den neronischen Wiesen, an der neuen Mauer Urbans, am Kapitol, Lateran, an den Thermen des Diokletian und des Caracalla, von der Scala santa, am Palazzo Caffarelli, Massimo, Farnese. Wühlen in allen Gliedern der Kirche: man wolle dem Papst zu Leibe, es ginge wider den Vatikan. Wutausbrüche des gestachelten Urban, umgedeutet in ängstliche Klagen um den Bestand der Kirche.
Ein Fanal war der vom Papst genehmigte Raub der Asche der großen Gräfin Mathilde aus Mantua, die eine Freundin Gregors im Kampf gegen den salischen Kaiser Heinrich war: man werde sich wehren, sich nicht totquetschen lassen. Und aus tausend Rinnsalen quoll nach Deutschland der Haß.
Wallenstein schickte Truppen durch Graubünden, schwere Belagerungsartillerie ließ er mit Mauleseln herüberschleppen. Eines Tages riefen in Rom Mönche und Laien aus, was in Prag und Wien allen bekannt war: daß der Herzog von Friedland sich selbst an die Spitze der italienischen Armee zur Aufrechterhaltung der Kaiserlichen Hoheit in Italien stellen werde. Sie kreischten frenetisch in Rom: »Die Barbaren kommen! Die Goten!« Man stellte sich dem tollwütigen verfinsterten Papst für Schanzwerk Geschützguß Kugelguß zur Verfügung. Er reiste mit dem Kardinalstaatssekretär und dem venezianischen Botschafter an die nördliche Grenze seines Gebiets. Hundert römische Edle, gewappnet in leichten Eisenpanzern, die Pferde unter klirrenden Plättchenpanzern, ritten seiner Karosse vorauf; eine starke Rotte Schweizer Gardisten, blaue Wämser, Piken, Birnenhelm mit aufgebogener Krempe aus blauem Eisen, prächtige Offiziere in rotem Samt umringten ihn. Außerhalb Roms sprengte der Papst, auf seinem schwarzen riesigen Gaul ragend unter einer goldgestachelten Stahlkappe, in einem schwarzen Panzerhemd mit Samtkragen und Ringpanzerbeinkleid, Bronzeplatten vor dem gewölbten Leib, vor den Knien Platten mit Stacheln, seine Stimme tobte, er drängte vorwärts. Französische Offiziere trafen aus Grenoble ein.
SIE KROCHEN aus Erdhöhlen herauf, lehmbraune Männer, verkniffene ängstliche Mienen, schmierige Bauernkittel, suchten mit den blinzelnden Augen die flach unter ihnen abfallende Ebene ab, die grünen windgeschützten Gebüsche, winkten, pfiffen rückwärts. Kinder arbeiteten sich hoch, lichtscheu, verschüchtert, Weiber, langzopfig, mit sandigen Hauben, schüttelnd die braunen Röcke in der grauweißen Morgenluft. Der hohe Waldrand belebte sich, das Dickicht zwischen Kiefern und Buchen wurde durchbrochen; leise Pfiffe. Kleine weiße Zelte in Doppelreihen hinten in der Ebene, dünne hohe Lanzen die Dorfhäuschen überragend; das Steinkreuz am Fuße der Berglehne umgestürzt; Pferdewiehern, einzelne Schüsse; Qualm in trüber Schicht unbeweglich über einigen Schindeldächern, weit am andern Ende des Dorfes Wägelchen die Allee aufwärts gezogen. Links am Horizont der Kirchturm von Zittau. Oben schleppten die Männer Spaten und Beilpicken aus dem Wald, wühlten einen angebrochenen Graben auf, tiefer, breiter, zogen ihn, immer still sich bückend, halblaut sich anrufend, im Zickzack über den Hang durch lange Stunden. Vieh blökte im Wald; Weiber Kinder waschend kochend am Feuer, dessen Rauch durch breite hochüberspannte Rinderfelle verteilt zwischen den Baumwipfeln in losen Zügen sich verlor. Kleine Männertrupps, in der Mittagsstunde verstreut sich abwärts lassend, das Dorf umschleichend, umfaßten von zwei Seiten einzelfahrende Wagen, schlugen die Söldner nieder, schleiften die Säcke in die nahen Verstecke, stahlen sich abends wieder hoch.
Bäume gefällt, Palisaden gezogen. Höhlenquartiere, Waldquartiere in der Lausitz. Gemeinden von rachsüchtigen Kompagnien angegriffen, zerschlagen, auf der Flucht bei andern unterkriechend. Aus der Lausitz, in Böhmen sammelten sich wandernde zigeunerartige Scharen, stiegen suchend die Felsgelände der Elbe entlang, zwischen den Rebenpflanzungen, den blühenden Feldern mit Hopfen, Raps, Rüben. Machten offene Städte unsicher, plünderten die Obstwälder bei Leitmeritz; auf den weidenbepflanzten Auen bei Melnik lagen Leichen von Verhungerten; viele Weiber, Kinder blieben in Dörfern zurück. Durch das finstere Moldautal drängten die Massen, ziellos, in einem leidenden Trieb. Dreitausend umschwärmten die Tore Prags. Man wußte nicht, was sie dort wollten. Die Bürgermeister der Alt- und
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