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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Neustadt schickten Brot in Körben heraus, Wegweiser durch Böhmen. Das Gedränge gab sich nicht; sie wollten herein nach Prag; sie redeten sich ein, der Kaiser wäre da. Als der Verkehr an den Toren erheblich gestört wurde, eine Anzahl Boote auch an der Hetzinsel anlegten, bis vor die große Brücke vordrangen, befahl der Oberst der Garnison, sie zu verjagen. Die Flüchtlinge hatten sich durch ihre Weiber und Kinder verstärkt, wurden durch Peitschenhiebe Hellebarden Salven scharfer Schüsse auseinandergesprengt. Die großen Massen, bestürzt, ohne Fassung, ratlos, verloren sich; nach zwei Tagen fand man im Umkreis Prags keine Rotte mehr. Im Judenviertel der Stadt jubelten manche bei den Schüssen, man stand in starker Hut; die meisten aber schlossen sich in ihren Häusern ein, viele bedeckten weinend die Gesichter.
    Eine Welle verlief sich, andere kamen. Sie drängten zum Kaiser um Rettung. Rotten tasteten sich hungernd im Land herum vom Harz her bis nach Schwaben; während manche sich stumpf forttrieben, verfielen andere einem Götzendienst, flüchteten verwildert zu Wald- und Flurgeistern, Kobolden, Marzebillen, Wildschützen, Moosweibchen, schlichen gedrückt um Kreuzessäulen. Wo das Gesindel in die Städte hereinverschlagen wurde, wurde es wieder herausgepeitscht. Gerüchte von Kreuzschändung, Ausübung todbringender Malefize schleppten sie mit sich; man hing es ihnen an, aber vor manchen Städten wurden viele belauert, umstellt, nach kurzem Verhör aufgeknüpft, auch gerädert.
    Wie anklagende Chöre erschienen Menschenscharen immer häufiger vor den Toren der größeren Städte; hinter ihnen her ritten Abgesandte ihrer Bischöfe Herren Fürsten, drohend, sie sollten an ihr Werk gehen, auf die Äcker, an die Mühlen, in die Bergwerke, warnend vor der Abwanderung. Sie wollten immer zum Kaiser, wußten nicht wozu. Der Kaiser war mächtig, seine Armada mächtig, er solle Frieden machen. Unterwegs sagten sie sich vor, was sie bedrückte: Kriegslasten auf ihren Schultern, Getreideabgaben, Abgaben für Fallholz, Schweinehafer, Kapaun, Kleinvieh, der dritte Pfennig vom Gemeindeholz, der kleine Zehnt, Salzsteuer, Brennöfen, Mühlen, Wegzoll, Jagdgeld, Marktgeld, Siegelgeld, Heiratsabgaben. Lachten, der Kaiser ist mächtig, er wird noch mehr können als dies. Im Brandenburgischen erschienen sie mit Fahnen, bald tausend stark, demütig in Ehrbarkeit, Schöffen, Ratsmannen und Richter um Speisen bittend, man möchte ihnen nichts antun, sie wollten zum Römischen Kaiser mit Bittschriften. Man gab ihnen, schob sie ängstlich ab. Viele verdarben am Wege. Als sie sich der bayrischen Grenze näherten, ließ sie der Kurfürst durch seinen Kriegskommissar fragen, ob sie dem Bauernaufgebot, den Landfahnen, eingereiht werden wollten. Antworteten sie, sie kämen gerade des Krieges wegen, dessen Beseitigung ihnen am Herzen liege, sie hätten so viel Kontributionen zahlen müssen an Freund und Feind, dazu den großen Zehnt, den kleinen Zehnt, den Schweinehafer, Salzsteuer, Brennöfen, Wegzoll, Kleinvieh, Kapaun. Darauf wurden sie von einer kleinen Söldnerrotte und fünfzig Pferden mühelos versprengt, gefangen, in die Büsche gejagt. In Klöstern fanden manche Zuflucht. Da erfuhren sie, daß der Kaiser alles bewältigen und niederschmettern wolle, Kaiser und Friedland sei ein und dasselbe, auch den Papst wollten sie beseitigen, man müsse beten zur himmlischen Jungfrau, daß der Papst die Oberhand behalte und dazu die ergebenen Fürsten des Reiches.

    DIE KAISERIN war mit dem rebellischen Herzog von Nevers verwandt. Sie war an Ferdinand, als die Stifter der Kirche zurückgegeben werden sollten, herangegangen wie Flamme an Holz, hatte um ihn unbändig gewallt. Jetzt erschrak sie. Ein geheimer Stich; von Tag zu Tag stach es tiefer. Sie mußte sich zurückziehen. Was hatte sie getan, wie hatte sie gelebt. In welche Verderbnis trieb sie der Mann neben ihr, in brütender Besessenheit rührte er an Italien. Sie war ihm nichts. Von Mantua fühlte er nichts. Sie keuchte aus dem Schlaf auf, ekelte sich vor schwarzen Männern, die in großen Mänteln nach ihr liefen, hinter ihrem Bett mit Messern und Federhüten vortauchten. Die ekstatische Frau war plötzlich aus ihren Fiebern gerissen. Erkühlt unter dem unfaßbaren Schrecken, die Horden Friedlands, des Schlächters, könnten über ihre süße Heimat kommen. Sie besann sich mit hereinbrechendem Wohlgefühl auf ihre sonnenklare Jugend; es war ein Blick durch den Spalt eines finsteren

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