Wallenstein (German Edition)
Offiziere der Wut ihres Herrn an, der sich von ihnen nicht losreißen konnte; sie ritten auf die Bauern los, schlugen mit flachen Klingen auf ihre Köpfe. Gustav selbst, sich befreiend, riß sein Pferd herum; und sein schweres kettenschaukelndes Tier, zu langsamem Schritt gebändigt, stampfte zwei Bauern an; andere warfen sich in den Schnee. Er ritt davon, die Herren hinterdrein. Kreischend beluden sich die Bauern mit den getretenen Männern, die Fahnen zerschlugen sie: »Das ist kein Evangelischer, das ist kein Christ.« Kreischend marschierten sie Tag und Nacht durch die Dörfer. Jubilierend das schwedische Heer hinterher.
Der kleine eisgraue Brabanter war von Regensburg wie ein Glücksbetäubter aufgebrochen. Er hatte vor der Kriegsbühne gestanden, an dem Spiel neiddurchwühlt gemäkelt; durch einen Vorgang wie im Traum war er von seinem Platz bewegt, er, der Tilly, mitten ins Spiel gestellt. Der klagende strenge uralte Tserclaes von Tilly regierte die ungeheure Szene von dem weithin sichtbaren Platze aus, gegen den sich eben Kurfürsten und Stände erhoben hatten. Er wollte nicht mehr Tilly sein, der dem quälenden bayrischen Maximilian unterstellt war; verwischt, versenkt der fabelhafte Feldzug in Ungarn, die Jagd hinter Mansfeld, gnadenlose Vertilgung der Rebellen, Verschlingen der Dänen. Die Taten Wallensteins liefen wie Doggen, die man tritt, neben ihm; eines Tages werden sie verrekken. Heimlich schwellte es ihn, als er nach Norden zum Heere fuhr, das ihm von Wallenstein überkommen war; die prächtigen sechzehnspännigen Karossen Wallensteins trabten durch sein Gedächtnis, rotjuchtenüberzogene Troßwagen in langer Reihe, silberne Partisanen der Leibgarde. Es labte ihn; dabei stieg hinterrücks ein unheimliches Gefühl der Ohnmacht über ihn, er suchte ihm bang auszuweichen.
Und wie er nach Norden vorstieß, wehten wilde Gerüchte um ihn; es wurde deutlicher: das schwedische Heer hatte sich spielend der Außenforts des Reichs bemächtigt, auseinandergestoben die Regimenter des Savelli. Das konnte wahr sein. Tilly rang mit sich. Seine Nächte waren durchtobt vom keuschen sorgenvollen Widerstreben gegen seinen Ehrgeiz, die Sehnsucht. Es hieß Farbe bekennen. Er war tief verstrickt in diesen Kampf. Die Gerüchte wehten an ihm vorbei. Er wollte ein frommer Christ bleiben, nicht rebellieren, wie es auch kam.
Und zittrig schwur der alte Wicht eine Stunde, sich im Zaum zu haben, schüttelte in der nächsten Stunde den Friedländer am Kragen, schwitzte vor Freude, war matt und arm.
Draußen unter den Schneestürmen begann es von Tag zu Tag lebendiger zu werden. Der Lärm war kriegerisch, Reiter, Wagen, schreiende Marketender; einmal kämpfte die Begleitung des Brabanters mit bewaffneten Wegelagerern.
Da mußten die Vorhänge des Wagens geöffnet werden. Auf der Chaussee, auf den Feldern: es hatte sich etwas begeben!
Da lag nicht nur Schnee! Zertrümmerte Fähnlein schamlos unter ihren Führern vorbei! Bauernhöfe, vor denen Kanonen standen, riesige Rohre auf Wagen, um die sich keiner kümmerte. Diese Welt; es hatte sich etwas begeben. Der Schwede hat sich der Außenforts des Reichs bemächtigt, er steht bei Frankfurt.
Wo stehen die Wallensteiner? Wo ist Savelli?
Überall verhungerte aufgelöste Verbrecherbanden. Sie wollen ins Reich; hier ist alles kahlgefressen; der Schwede ist hinter ihnen. Den Herzog Savelli hat der Schwede bei lebendigem Leib geschunden, aus Rücken und Brust Riemen geschnitten. Bei Stettin steht kein Wallensteiner mehr, in Mecklenburg haust der Schwede, aus Brandenburg läuft alles davon.
Die Vorhänge blieben offen. Wimmelnde Felder. Rotten von versprengten Wallonen, Musketiere, die ihre Gewehre verkaufen. Sie gehorchen nicht; Weiber – wessen Frauen und Töchter –, Kühe, Ziegen treiben sie, die verruchten Wallensteiner. Schwappen, wie er sie angreifen will, ins Reich zurück, an ihm vorbei. Wie Sand durch Fugen, sind nicht zu stopfen. Als hätte der teuflische Friedländer, bevor er das Haus verließ, alle Balken eingesägt, Fundamente mit Pulver gelockert, Wände durchstoßen. Der Brabanter, mit Abscheu Entsetzen gefüllt, wurde von seiner Karosse in diese brandenburgischen Gegenden gerissen, vor das widrige Zerstörungswerk des bösen ungeheuerlichen Menschen. Die Schweden auf Usedom; Stettin eingenommen, Schauenburgs Truppen in Gartz, Greifenhagen verjagt; Demmin, Bärwalde. Nichts von Savelli, Torquato Conti, Schauenburg, die er anspannen wollte vor seinen Wagen.
Die
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