Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
Weg, an den hohen Türmen des Kröckentors endend; zu beiden Seiten Gewimmel von Gassen und Märkten entlassend. Nahe dem Sudenburger Tor und der Düsteren Pforte der riesige Neue Markt, an dem sich die Gewalt der Domkirche erhob, die königlich hinüberblickte zu den Spitzen der andern Kirchen, Sankt Sebastian, Peter Paul, Sankt Katharina, Sankt Jakob, Sankt Peter, Sankt Johannes, Sankt Ulrich, Sankt Nikolai.
    Und als Stalmann und Falkenberg sahen, daß ihr König nicht herankam, weil er gebunden war in Brandenburg, faßten sie, abgesperrt von ihm, aber seinen Gram mitfühlend, den Entschluß, ihm zu helfen wie sie konnten. Magdeburg war nichts, die deutschen Bürger jämmerlich verzagtes Lumpenpack. Sie sollten nicht die Freude haben, sich und die schwedische Sache an den kampflüsternen Tilly zu verkaufen, so daß alles umsonst wäre, alle Hoffnung ihres Königs, ihrer Männer, umsonst wäre Schweden geplündert worden, umsonst Borke der Bäume verschlungen von guten Schweden. Solche Erbärmlichkeit sollte dem kläglichen Gesindel, das sich sonntags evangelisch gebärdete, nicht gestattet werden.
    Am Elbstrom, dicht vor dem Kirchhof von Sankt Peter, lag das Fischerbollwerk und Fischerufer mit den Häuschen der Gilde. Den gefährlichsten unbotmäßigen Gesellen von ihnen, den kahlköpfigen heiseren Hartmann Wilke, kaufte Stalmann. Sie wurden Brüder; seine eigene Magdeburger Liebste, ein ehrsames Fräulein, zwang Stalmann, sich dem rohen Wilke in die Arme zu werfen. Wilke hatte bald seinen Spaß daran, daß die Stadt sich nicht würde halten können; hereinkommen sollten nur die Kaiserlichen, verwüsten sollten sie, was die reichen Stände zusammengescharrt hatten: er würde sie nicht daran hindern; aber er und seine Gildeverwandten, dazu die wilden Brüder aus der Diebshenkergasse, würden helfen. Unmittelbar am Bollwerk beim Brücktor waren die Pulvermassen im Pulverhof aufbewahrt; es vergingen nicht acht Tage, Tage der zunehmenden Verwilderung unter den Städtern, daß zahllose Tonnen Pulver verschwanden aus den Magazinen, die Vorräte verteilt an die entschlossensten gehässigsten Gesellen.
    Ein blauer süßer Maientag kam heran. Der Himmel prangte in Sanftheit, alles war zum Leben hingebreitet. Da trug sich vom Neuen Werk her bei Sankt Jakob das knurrende Untier aus der unkenntlichen Finsternis der blütendurchhauchten trunkenen Nacht an den Wall heran, zerbrach mit den Klauen, Pfoten Bollwerk und Rondelle, klatschte mit Ruck und Schwung seinen breiten prallen Leib mitten auf die morgendlich leeren Straßen, in denen hie und da einer gähnend die Fensterladen aufstieß, ein Mädchen im Vorgarten seine Blumen begoß. Mitten auf die Straßen.
    Minutenlang lag es wie verzaubert still, öffnete dann das Maul zu dem herzlähmenden vereisenden Gebrüll. So daß die Menschen ihre Stunde wußten.
    Nach wenig Zeit sollten sie alle bis auf einen kleinen Rest, Männer Frauen Kinder Kaisertreue Wankelmütige Herzhafte Alter und Neuer Rat, als sonderbar stille Kadaver auf der Erde, in den Stuben Kellern liegen mit trüben fragenden lächelnden bittenden verzweifelten Grimassen, in tollen ungekannten Stellungen, nachdem ihnen ihre Seelen entrissen waren, wie man einem Hahn den Kopf abreißt. In die Elbe gestürzt auf Karren Betten Wagen, was nicht auf Böden und zwischen Hafentrümmern faulte.
    Als der riesige Kürassier Pappenheim, Todesverächter seitdem er Mensch war, mit den Regimentern Gronsfeld, Wangler, Savelli das Neue Werk auf Leitern erstiegen hatte, durch das Stücktor in die Große Lakenmachergasse gestürzt war, blies der Küster auf Sankt Jakob Sturm, hängte eine schwarze Fahne heraus. Mit Springstöcken liefen schon kaiserliche Pikeniere, rote Feldbinden, die Lakenmachergasse herunter, über den Weinberg, durch die Gärten. Ihr Geheul, blutdürstige Gesichter: »All gewonnen, all gewonnen!«
    Die Türen sprangen auf; die ersten Menschen niedergestoßen. Der Strom der Kaiserlichen wurde von rückwärts gespeist; in kochender Lavaflut überwallte er die Straßen. Vom Alten Markt zogen ihm fünfhundert kaisertreue Bürger, die rote Feldbinde schwingend, Weiber und Kinder in der Mitte, entgegen. Waren im Augenblick von Kroaten und Wallonen bäuchlings rücklings seitlings hingestreckt und zertreten.
    Sie ritten schon, schwangen von oben die Klingen. Am Neuen Markt fluchte Falkenberg unter dem Sturm von Sankt Jakob auf die schreienden Räte und Innungsmeister, die über ihrem Gezänk die Gräben hätten

Weitere Kostenlose Bücher