Wallenstein (German Edition)
fressen? Bringt mich nicht um.« Unter den steifen Blicken Maximilians, den in den Sand spritzenden Schlägen Küttners stürzte er sich kreischend, verzweifelt die Arme aufwerfend, in den Sand vor dem Becken.
Und da kam mit gravitätischem Schritt der langbeinige Schnabelträger her. Wie der Zwerg das Geräusch hörte, zuckte er zusammen. In Todesangst kroch er hoch und nun warf er sich auf den Storch. Er war nicht höher als die Beine des Vogels waren. Mit den Armen packte er nach der Brust des Tiers, das krächzend flügelschlagend zurückwich, sich schüttelte, sogleich gegen das kleine Wesen losging. Es hieb wie ein Drescher mit dem Schnabel auf den Zwerg herunter, der ungeschützt einen Hieb dicht unter dem Hals empfing. Seine Kappe zerriß, er knickte auf die Knie; schien aber sonst nichts zu bemerken. Nur auf die federbesetzte Brust des großen Vogels starrte er, schon hing er mit beiden umschlingenden Armen an seinem Hals, der sich wand, drehte, sich zu entziehen versuchte. Seine Beine zappelten unten, das starke Tier stand krächzend krächzend einen Augenblick, bis es vornübersank. Der Narr wälzte sich mit dem Storch im Sand. Sein Gesicht war nicht zu sehen, es war in die Brust des schreienden, fast menschlich kreischenden Tieres vergraben. Er spie Federn, kaute und biß an der zähen Haut, dem krampfhaft zuckenden Fleisch; sein eigenes Blut lief unter ihn; das Tierblut leckte und schlürfte er. Und nun, noch eben in der Angst der Degenhiebe, vergaß er, wer hinter ihm stand, wer auf dem Stuhl sitzend vornübergebeugt mit langgezogenem Gesicht ihm zusah; er fing an seine Kiefer zu bewegen und erst mit Widerwillen, dann mit wilder Besessenheit zu fressen, zu vernichten, das zuckende schreiende Tier zu vernichten. Der Storch, auf der Seite liegend, suchte, wie ein gefallenes Pferd den Hals rekkend, mit den Beinen ausschlagend, hochzukommen. Das schwere Gewicht des malmenden Zwerges zerrte ihn herunter. Wie der Vogel einen hellen durchdringenden Trompetenschrei ausstieß, verlangte der Kurfürst, daß Küttner, der seitwärts schielend dastand, mit seinem Degen spielte, den Zwerg abrisse. Küttner bückte sich herangehend, packte den Zwerg am Rücken. Der, verbissen, ließ das Tier nicht los. Als Küttner ruckartig an dem Geschöpf zog, ließ der Zwerg die Arme vom Hals des Tieres los, aber in gräßlicher Weise hing er mit dem Gesicht wie verwachsen im roten klebrigen Sudel an der Brust des Vogels; rechts und links lief und spritzte hellrotes Blut den Boden. Mit einem Fluch klemmte der Kavalier seinen Degen zwischen die Beine, laut hörbar wurde das brünstige Mahlen, Knurren, Schlürfen, Schlucken des Zwerges, der mit den Armen wieder versuchte, nach dem Hals des Vogels zu hangeln; der Storch hielt den Hals senkrecht über ihn, entsetzliche Hiebe mit dem Schnabel fuhren blitzschnell auf die Waden und den Rücken des Mörders, dazwischen die schrecklichen hohen Schreie. Küttner griff zu, die Beine des Menschen packte er, ein Zug, er schwang den Zwerg um sich, ließ ihn ins Beet absausen. Der Vogel schwankte mitgerissen, krächzte, stand im Augenblick auf den Beinen, von oben troff das Blut, flügelschlagend machte er kehrt, taumelte davon. Aus dem Beet kam der grauenvoll beschmierte Zwergenkopf hervor; Wutgeheul, Tränen. Der Kurfürst ging rasch an ihm vorbei; er nahm Küttners Degen, stieg ausspeiend auf das Beet zurück, spießte, senkrecht von oben stechend, den anstrebenden Zwerg mit dem rechten Oberschenkel am Boden an.
In der Kunstkammer vor einer kostbaren Truhe, Stuckrelief mit keulenschwingenden Kentauren, die vergeblich andrangen gegen die sanfte Menschengruppe der Gerechtigkeit Weisheit Stärke Mäßigkeit, standen sich Maximilian und Küttner im Halbdunkel eines Pfeilers gegenüber. Maximilian hieß ihn sich seinen Degen holen; der Zwerg zeterte noch. Als Küttner mit der blutigen Klinge wiederkehrte, saß der Kurfürst nahe einem Fenster. Sie hörten dem sich entfernenden Gejammer zu. In der Stille schüttelte sich der auf der Truhe, Maximilian: »So sollte mein Arzt schreien.« Stieß ein hitziges Lachen aus, seine Augen blitzten erregt. »Wißt Ihr, Küttner, was heute für ein Tag ist?« »Michaelstag, Durchlaucht.« »Sankt Michael. Das ist der Schirmherr der Deutschen. Wir haben eben gut gekämpft; er wird uns loben.« Maximilian lachte sanfter und erschöpft. Küttner bog seinen frauenhaft weichen Leib vor, hob die langfingrigen Hände vor die spitzenbesetzte Brust: »Der Narr war
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