Wallenstein (German Edition)
gearbeitet, für das Großmaul aus Upsala.« Er spie, fuchtelte höhnend, mordsüchtig mit der Faust: »Aber der Tilly. Der gute Alte. Gute Alte. Der Spaniole. Gedachte mich zu beerben. Beim heiligen Blut Jesu, ich hätte ihn gern verenden sehen. Der Schwede wird glauben, er könne kommen, das Reich liege da, es warte nur auf ihn. Wo steht der Schwede. Du mußt hin zu ihm, zu Arnim. Ich bin noch nicht tot.«
Krächzend, laut brüllend, jammernd: »Zottle nicht herum. Setz mich ab. Wo der Schwede steht. Mich schlägt er selber tot. Wie lange sind wir noch in Böhmen. Wir sind ja wehrlos. An jedem Tag rückt das Vieh vorwärts; und ich kann mich nicht regen.« Wimmernd, von Wut betäubt, ließ er sich auf seiner Fensterbank gegen die Rückenlehne schieben: »Mit mir ist es aus für alle Welt. Der lutherische Lump, nun hat er sich den Augenblick ausgesucht, schluckt den Braten. Du wirst sehen, er schluckt ihn. Mich mit.« Er suchte mit seiner schüttelnden schlagenden Hand in den Taschen seines grünseidenen Schlafrocks, ein Papier knisterte: »Der Ferdinand. Mich hat er beschwichtigen wollen, damit ich ihm nichts tue. Nun kommt der andere. Dem schreibt er keine Briefe. Ich – ich – ich kann nicht denken.« Er wollte verzerrt lachen, wieder wurden seine Lippen weiß. Trzka hielt ihn fest, schrie nach Wein. Sie trugen ihn auf seine Schlafkammer.
Nach Zuziehung des Rittmeisters Neumann besprachen sie sich in die Nacht hinein. Da kam heraus, daß der Friedländer durch verschwiegene Leute längst mit dem Schweden angebunden hatte; der Herzog hatte um eine Zahl Regimenter nach Böhmen gebeten, wollte mit dem Schweden gemeinsam über den Kaiser fallen; der Schwede hatte heimtückisch die Sache hingezogen; wie sich gar Johann Georg mit seinen sächsischen Regimentern anschloß, schwieg sich der Satan ganz aus. Der Herzog ballte die Fäuste auf der Decke: »Er hat mich betölpeln wollen und hat’s getan. Glaubt jetzt sein Spiel gewonnen. Der Tilly hat mit der Schlacht seinen Ruhm und Ehre verloren. Ich nicht minder, wenn ich mich nicht rühre.«
Frühmorgens war der verschüchterte Kurier in Trzkas Kammer geschlichen, bat um Urlaub; seine Schlafkammer lag über der des Herzogs, er hatte die ganze Nacht gehört, wie der Friedländer ihn schmähte, ihm die Pestilenz anwünschte. Das Gebrüll war erst vor einer Stunde verstummt.
Hinter dem Kurier war schon der Reisewagen Trzkas angefahren. An den Toren trennten sie sich; der Graf galoppierte mit seinen vier Pferden auf Tod und Leben nach Norden. Im Wagen neben ihm saß ein armseliger glutäugiger Schächer in einen Winkel gedrückt, eine federlose Pelzkappe auf dem struppigen Tschechenhaar, Jaroslaw Raschin, Exulant, einer der Geheimboten Wallensteins an den Schweden, der unter Lebensgefahr aus Sachsen verkleidet zum Herzog drang. Hinter Teplitz nahmen sie Pferde, ritten über das Gebirge durch die nebligen Tage. Allein schlug sich Raschin weiter, rief den Arnim, jetzt sächsischer Feldmarschall, nach Chemnitz.
Ob, fragte Graf Trzka, Arnim den Herzog zu Friedland hasse oder bereit wäre, mit ihm über Dinge des Gemeinwohls zu verhandeln. Dann: ob der Feldmarschall bereit wäre, augenblicklich und gänzlich ohne Zögern zum Besuch des Herzogs zu Friedland auf Schloß Kaunitz, zwischen Pardubitz und Prag, aufzubrechen. Die leidenschaftliche Dringlichkeit der beiden Männer bestimmte den Arnim, Wagen und Pferde mit ihnen gemeinsam zu bestellen. So überfallen war er von der Plötzlichkeit ihres Verlangens, daß er erst hinter Chemnitz den Befehl an seinen Leutnant abgab und in einem unsicheren Vorgefühl schriftlich anordnete, mit jeder erdenklichen Deutlichkeit, nichts und gar nichts von den Anordnungen des schwedischen Hauptquartiers durchzuführen, das ihm nicht zu Gesicht gekommen wäre. Dann saß der Uckermärker unter den Massen der Schafpelze zwischen den beiden, ließ sich gebirgwärts rasen, dachte mit zunehmender Bedrücktheit an seine Lage. In ihm schwang frisch angestoßen ein heftiges Gefühl der Anhänglichkeit an den einsamen Herzog. Sein Herzog rief ihn, sie hatten sich seit den glückshohen Augenblicken nicht gesehen, wo Friedland ihn nach Polen schickte. Der große Friedland brauchte ihn; beschämt und fast gequält machte er den Weg über das Gebirge. Wallenstein war noch nicht auf Kaunitz, als sie ankamen. Der Marschall nahm einen Gaul; mit Raschin traf er den Herzog in der langsamen Sänfte auf der Landstraße. Ein wehes Stechen in der Kehle und hinter
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