Wallenstein (German Edition)
unerwarteterweise mit Maßnahmen nicht heran. Michna forderte Truppen, die Schweden zogen alle auf sich. Die Räte legten sich darauf, den Herzog zu bitten, die Söldner zurückzuziehen. Vom Hradschin her kam erst kein Bescheid und dann: Wallenstein vermöge nichts über ausschreitende Kompagnien. Man mußte biegen oder brechen; die Räte baten den Serben, die betrübliche Sache nicht weiter zu verfolgen, er kenne die Notlage des Reiches, den Zerfall des Heeres; schließlich: sie könnten nichts gegen den Herzog von Friedland unternehmen, man könne es nicht wagen; ob sich denn versöhnlich nichts in der Sache machen ließe. So sah sich Michna, im Begriff, ins Nest des Friedländers zu fliegen, genötigt, mit ihm zu verhandeln.
Mußte zurück von Wien, mußte nach Prag, mußte, als Briefe und Kuriere nicht angenommen wurden, zum Hradschin und wurde auch nicht angenommen. Jeder Tag verminderte seinen Reichtum, die Soldaten verpraßten seine Habe, verschleuderten seine Geräte, trieben die Verwalter heraus. Eine halbe Woche lang lief Michna im Hut durch die Gassen, stand besinnungslos in seiner Stube, wartete an der Tür. Als er am Hradschin empfangen wurde, zählte Wallenstein, der leise sprach, die Silben, gab ihm einen Teil der Güter wieder heraus, aber nur einen Teil. Auf einen Zettel hatte der Herzog vor sich ein Verzeichnis der freigegebenen Güter; Michna, seufzend und ohne Gedanken, tastete nach der Feder, um das Verzeichnis durch seine Unterschrift anzuerkennen. Er blieb in Prag.
Der Vorfall lockte den gewaltigen de Witte in die Stube des niedergeschlagenen Mannes. Mit stummer Neugier und Kopfschütteln hörte er die Einzelheiten; man müsse vorsichtig sein, warnte er, aus dem Ereignis ginge hervor, daß der Herzog das Spiel nicht verloren gebe und daß man sich in Wien vor ihm fürchte. Auf der Hut müsse man sein, es werde von allen Seiten gesagt, der Herzog plane etwas. Michna möge sich aufrichten; es sei im Reich noch immer der Friedländer, durch den man zu Besitz komme; er lächelte: »Der Schlüssel zu allen Schränken.« Mit breitem grämlichem Mund Michna: »Ich mag nicht mehr.«
Der Herzog wartete am Hradschin. Spielerische höfliche huldvolle Briefe des Habsburgers kamen an; die Kuriere wurden verschwenderisch belohnt, die Briefe mit immer größerem Behagen gelesen. Auf dem Schloß stellte sich häufiger der Schwager aus dem Hause der Trzka von Lipa ein, der Graf Adam Erdmann, ein fröhlicher blondbärtiger Mensch, der einen kollernden Baß sprach, im Tanz seine süße Maximiliane herumführte, mit ihrer Schwester, der Frau des Herzogs, ein sanftes Getue Kosen und Lärmen trieb. Der Herzog sah es gern, er liebte seinen Schwager. Die böhmischen Vettern, die den Herzog aufhetzen wollten, die Rebellion in Böhmen zu organisieren, half der Trzka lustig verjagen. Nicht aus dem Hause nach Dimokur, seinem Sitz, wollte ihn der leidende Friedländer lassen; auch die Herzogin bat ihn zu bleiben.
In eine sonderbare Verfassung war Wallenstein geraten. Er alterte furchtbar. Sein hartes Gesicht war mit Runzeln übersät. Die Haare über den Ohren wurden weiß, standen in Büscheln ab, die Augenhöhlen waren zu weit für die kleinen Augäpfel, ganz im Grunde lagen sie da hinter ihren Häuten, im Begriff, völlig in den Kopf zu schlüpfen. Die Breitenfelder Affäre war in dem kritischen Augenblick über ihn gestürzt, als er mit de Witte plante, nach Hamburg zu gehen, seine gesamten böhmischen Liegenschaften zu verkaufen, von dieser Ecke des Reiches zusammen mit den Hansastädten, vielleicht dem sehr still gewordenen Dänen Christian etwas zu unternehmen. Der Kurier, der die Breitenfelder Nachricht brachte, sah – er glaubte wie alle, dem Herzog etwas Freudiges zu melden – bestürzt den verabschiedeten Generalissimus, der im herbstlichen Gartenhaus neben Trzka auf einer Bank saß und mit Muscheln vor sich warf, tief erblassen, die dünnen Lippen sich öffnen. Die scharfen Äuglein irrten zitternd von Lidwinkel zu Lidwinkel, wichen schielend auseinander; sachte rutschte der lange Oberkörper die Lehne herunter über die Bank, hing mit baumelnden Armen zum Parkett herunter.
Nach einer Stunde stand Friedland, torkelte am Arm des Trzka vor den Bogenfenstern seines Pfeilersaales auf und ab, schob den Kiefer vor, kaute gräßlich: »Er ist mir zuvorgekommen, der dicke Schwede. Ich habe es mir gedacht. Hat den Tilly zerschlagen. Er kommt über den Kaiser. Sie sind wehrlos. Für den Schweden hab’ ich
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