Wallenstein (German Edition)
dem Brustbein fühlte der Marschall beim Anblick seines alten Herrn; der winkte aus der Sänfte, lachte ihn verrunzelt an, den Kopf hervorstreckend, wünschte ihm gurgelnd Glück zu den neuen Ereignissen: »Ich wollte doch teil daran haben, darum ließ ich Euch bitten.« Und er kollerte in seiner alten verschmitzten Weise.
In seiner schon geheizten teppichbeladenen Schlafkammer stieg Wallenstein am spanischen Rohr rastlos herum. Vor Arnim stand ein Tischchen mit Wein. Der lange Herzog: »Es weiß niemand, daß ich von Prag abgereist bin. Mein Arzt sitzt in meiner Stube. Sie glauben, ich bin krank, ich liege im Bett. Ich habe lange genug im Bett gelegen. Findet Ihr nicht auch, Arnim? Ist eine herrliche Zeit jetzt. Ein prächtiger Mann, Euer Schwede. Bringt Wind in die Welt.«
Flüsternd: »Und er hat ihn am Schopf. Der Tilly ist gelaufen. Ihr seid tapfere Kerle. Hat mich gefreut. Ihr wollt mich gar rächen an ihnen. Muß mich bedanken.« Arnim, um seine Erregung zu verbergen, berichtete Lobendes von Gustav Adolf. Ein stechender Blick Wallensteins.
Als er schweigend rasch das Zimmer durchstiegen hatte: »Er hat Euch auch im Sack, Arnim? – Wir wollen Ruhe schaffen in Deutschland. Macht der Metzelei ein Ende. Der Augenblick ist günstig, ich wollte Euch das sagen. Ihr dürft nichts versäumen. Und Ihr dürft Euch nicht vom Schweden mißbrauchen lassen. Mich freut, daß Ihr beim Kursachsen in Gunst steht. Denkt daran, daß Ihr auch mir ein Teilchen davon verdankt. Es heißt jetzt kurz und gründlich handeln. Nach rechts und links entschlossen sein. Das wollt’ ich Euch sagen.« Nachdem er Arnim über seine Pläne ausgeforscht hatte, brachte er hervor: der Kaiser und die Liga seien in größter Schnelle vor ein Ultimatum zu stellen; Friede oder völlige Niederlage mit gnadenlosen Bedingungen. Er verlangte zum Erschrecken Arnims von ihm den Einmarsch in Böhmen. Gab sehr genaue Zahlen über die Truppen des sehr wenig aufmerksamen Marradas, der jetzt in Böhmen kommandierte; der sächsische Einmarsch werde das Signal des böhmischen Aufstandes sein, der Kaiser umklammert. Er stand vor Arnim, der sich auch erhoben hatte. Redete stoßweise dicht am Gesicht des andern, die Augen niedergeschlagen, mit dem Knöchel des Zeigefingers auf den Tisch klopfend. Nur beim Abschied blickte er lange scharf seinen ehemaligen Untergebenen an. Der hatte leidend zugehört; unverhüllter schmerzvoller Rachedurst schien sich vor ihm zu entblößen. Die Angaben Wallensteins über Böhmen, er kannte die Zahlen ungefähr, waren wahr; der Herzog setzte bei dem geforderten Einmarsch seine eigenen riesigen Güter aufs Spiel. In einer Mischung von Besorgnis Erregung Freude Verwirrung reiste er ab mit Raschin, der ihn leidenschaftlich auszuforschen suchte: »Ist es soweit?« Es war die Frage, die täglich von den böhmischen Vertriebenen im Hauptquartier gestellt wurde.
Friedland und Trzka rasselten trompetenblasend in den Hof des verschneiten Palastes am Hradschin. Seine liebe anlaufende Herzensfreundin begrüßte mit Küssen der glückliche leicht gedämpfte Trzka. Den Herzog selber faßte die weiche Elisabeth bei den Händen, führte, ihn umfassend, vorsichtig in den Flur. Wie sie alle schauerten unter seiner wilden kalten Stimme. Sie hatten sie viele Monate nicht gehört. Mit wem gingen sie da, wen führte die weiche Herzogin an den Händen. Wer hinkte da und erzählte lachend von der erfreulichen Begegnung mit seinem alten Arnim. Die Herzogin ließ die Hände los, aber nur für einen Augenblick, dann zog sich ihr Herz in einer beseligenden Erinnerung zusammen: wie sie, das höfische Fräulein, vor langen Jahren zum erstenmal unter dieser Stimme gebebt hatte und dann diesem als Unmensch verschrienen Böhmen verfallen war, der durch sie, wie man warnte, nur Hofbeziehungen suchte. Zaghaft nahm sie die Hände wieder, die sie küßte. Sie hörte wonnevoll und demütig die schnarrende metallische Stimme an. Und schon an der Tür zu seinem Empfangszimmer drehte sich der Herzog, seinen Pelz abwerfend, zu Trzka und seinen Begleitern um, beugte sich schief herunter, listig ihnen zuflüsternd: das Schäkern hätte nun bald ein Ende in diesem schönen Schloß; sie müßten mit allen Siebensachen wandern, eher heute als morgen; trara, bläst der Postillon, und wer sagt, wohin es geht. Und zu der rasch erblaßten Elisabeth: aber sie führe diesmal mit, er stürbe ihr auch nicht so leicht weg, wie sie fürchte; sie müßten ja fliehen, ob sie’s nicht
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