Wallenstein (German Edition)
doch der Geheime Rat ganz beruhigt. Friedland sei bei ihnen, der Schwede werde bald nicht mehr auf der Landkarte zu finden sein.
Der Fürst kniff schwermütig die Augen zu; ob man den Herzog werde abfinden können, wisse keiner, er schwiege sich aus. Man wisse nicht, womit nach der Aufstellung der Armeen der Herzog kommen werde; nicht viel geben, nicht viel geben sei der gemeinsame Wunsch aller Herren. Auf seiner Schreibtafel stand, als er sich verabschiedete, die Bestätigung des Herzogs als Reichsfürsten zu Mecklenburg, ein Geschenk des Kaisers von vierhunderttausend Reichstalern, soviel der Friedländer noch für gekaufte Güter der böhmischen Kammer schuldete; man gedachte ihm schließlich pfandweise für die Auslagen das schlesische Herzogtum Großglogau zu überlassen.
Als am folgenden Nachmittag die Mantuanerin den Kaiser nicht aufgesucht hatte, obwohl ihre Ankunft am letzten Abend gemeldet war, ließ sich der Kaiser zu ihr hinüberfahren. Sie war nicht in ihren Zimmern, nicht auf den Höfen, nicht in den Gärten. Mit ihrem Fräulein Kollonitsch war sie vor kurzem, hieß es bei der Wache, zu Fuß, tief verschleiert, zur Burg hinausgegangen. Daß ihn solche Sehnsucht nach ihr erfaßte. In einer herzlichen Trauer lag er allein eine halbe Stunde in seiner Kammer, ließ sich dann umziehen mit brauner Kniehose, glatter Jacke, weiter loser Hose, wie ein gewöhnlicher Mann, ein Handwerker, ein Bieranstecher; farbige Strümpfe und fliegende Bänder trug er, eine braune niedrige Kappe stülpte er sich gedankenlos auf; der Leibkammerdiener folgte ihm nach wenigen Minuten, hinterher in zwanzig Schritt Entfernung wie eine Magistratsperson wandernd mit kleinem Degen, in einem hohen braunen Filzhut; der einfache Anzug gelb, die mageren Waden in roten Strümpfen.
Der Handwerker, eine Weide in der Hand, irrte erst vor der Burg hin und her, schritt am Zeughaus vorbei, an der Niederösterreichischen Kanzlei, kehrte wieder um. Es war ein regnerisches Wetter, der Kot lag hoch, es war neblig, bald mußte es dunkel werden.
Wie Ferdinand das schwerfällige Gebäude der Minoriten passierte, sah er jemand laufen. Und eine unerklärliche Bewegung zwang ihn zu folgen. Sie bog in Gäßchen auf Gäßchen ein, blieb in Torwegen stehen, nestelte an sich. Durch den Kohlmarkt zum Graben. Zurück; man ging, durch Sänften und Karren getrennt, über eine lange schmale Holzbrücke. Eine Scheu bedrückte ihn, sie könnte eine Dirne sein; er zögerte. Die Kirchtürme von Sankt Niklas. Da ging sie in das kleine Schwesternhäuschen neben der Kirche. Die Tür fiel zu. Er stand draußen. »Wie sonderbar, daß ich hier stehe. Und daß ich nicht weggehe.« Er hob den Klöppel der Glocke, fragte, wer eben gekommen sei; ein Mädchen hatte geöffnet; man schrie entfernt: »Man hat geschickt.«
Über den dunklen Gang lief etwas an, sah ihm ins Gesicht, stand zitternd da. »Was ich will? Eleonore, ich weiß selbst nicht, was ich will. Ich weiß nur, ich möchte mit dir gehen.«
»Siehst du. Jetzt holst du mich. Jetzt bereust du deinen Starrsinn.« Er hing an ihrem Arm, sie wickelte den Schleier um den Hals. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Eleonore. Wir wollen davon nicht reden. Es ist weiter nichts, als daß ich gern mit dir gehe.«
Über die Brücke. »Versprich mir. Ich will nichts von Mantua reden und nichts von dir. Versprich mir, du wirst den Teufel von Herzog nicht wieder holen.« »Sprich weiter.« »Wenn du ihn brauchst, wirst du ihn zwingen, Ferdinand. Du mußt ihn wie einen Knecht, einen schlechten Demütigen, in der Hand haben, dem man nicht traut.« »Sprich nur weiter.« »Machst du dich lustig über mich?« »Nein, ich gehe gern mit dir.«
Stumm kamen sie vor die Burg. Im Regen gingen sie durch eine Seitentür, die ihnen der Diener aufschloß. »Komm zu mir, Eleonore.«
»Weiter nichts?« Sie weinte.
Er leise: »Eleonore. Ich weiß selbst nicht, was ist. An mich kommt nichts heran. Alles beglückt mich. Deine Stimme beglückt mich, dein Weinen beglückt mich, dein Klagen beglückt mich. Als wenn ich um mich eine Schale zugemacht hätte.«
Sie weinte weiter. Er: »Könnte ich dich nicht auch erfreuen?«
VOM MAIN her südwärts schwoll verendend die Armee des unglücklichen Grafen Tilly.
Mit dem Rest seiner Truppen, zwölftausend Mann, dazu achttausend gepreßten Bauern, griff er in der Schärfe des Winters den schwedischen General Horn an, trieb ihn in die Stadt Bamberg hinein. Drin ließ er die Schweden bis auf den
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