Wallenstein (German Edition)
Seele kam ein leichtes unsicheres Staunen und wehe Müdigkeit, wie sonderbar unerwartet sich die Dinge gestalteten. »Wir müssen alle sterben«, seufzte Eggenberg, über sich sinkend. Der Herzog zog, den Kopf zurückbiegend, spöttisch die Mundwinkel herunter, ließ von oben einen lauernden freudigen Blick über den andern spielen.
Man wollte am Hof wissen, welche Forderungen der Herzog gestellt habe. Der alte Fürst gab schwermütig von sich, sie sollten sich erst den Herzog ansehen, er werde bald kommen.
Und nach Wien eingeladen, kam der Herzog. Nicht wie beim Antritt des ersten Generalats, mit zwanzig Karossen; versilberte Partisanen der Vorreiter, Zaumzeug und Schabracken, wie der Kaiser sie führte, Lakaien und Pagen in feinsten französischen Stoffen, eine halbe kriegsstarke Kompagnie voraus, eine halbe hinterher. Sondern geräuschlos mit zwanzig Mann Bedeckung und drei Leibwagen. Er führte auf der eisigen Stiege seines Znaimer Häuschens noch ein murmelndes Gespräch mit dem heißblütigen jungen Sesima Raschin und seinem Trzka. Keinen Augenblick sollten sie sich durch die Änderung in seiner Stellung zum Kaiser in ihren Aufgaben stören lassen, jede erreichbare Bindung an den Schweden und den Sachsen für ihn erstreben. Es solle alles so weitergeführt werden, als geschehe nichts. Gab keine schriftlichen Vollmachten von sich; er mache sich nicht, räusperte er sich aus dem Fenster des Wagens heraus, bevor er die Decke vorzog, zum Sklaven des Kursachsen oder Gustavs. Sie begriffen, der Herzog, der langsam auf der Landstraße fuhr, hatte etwas Besonderes mit dem Kaiser vor.
In dem schneidendklaren Januarlicht stellte sich der Böhme, am Stock herangeschleift, hoch und mager vor dem Kaiser auf, der ihm selbst einen Sessel heranrückte.
Beide fanden in der gräßlichen Deutlichkeit des Tages, daß der Tod den andern an Auge, Nase, Mund, ja an den Händen gezeichnet habe. Beide wußten es nur von dem andern.
Ferdinand las in seiner Verwirrung dem Herzog einen Brief der Mantuanerin vor, den er eben erhalten hatte aus Schönbrunn, worin sie ihre baldige Rückkehr nach Wien anzeigte. Währenddessen und nach den ersten heiseren Worten des Herzogs veränderte sich dessen Bild vor ihm, und in ihm tauchte wieder auf der unersättliche regsame Lindwurm, der kriechende langschweifige tausendfüßige Leib. Den hatte er einmal gefürchtet. Nun war es klar. Es sollte wieder etwas wie Krieg geben; er mußte sich einen Augenblick wirklich besinnen, gegen wen; dachte im ersten Moment an den Bayern. Also jetzt ist der Schwede an der Reihe. Dieser Herzog hat es auf den abgesehen. Er wird ihn wahrscheinlich besiegen. Vielleicht wird ihn auch gelegentlich der Schwede besiegen; diese Dinge sind unübersehbar. Eine sonderbare Sache.
Der Herzog sprach von den schon getroffenen Maßnahmen zur Aufstellung eines Heeres, und daß in der Tat der Schwede und Kursachse alle Vorteile habe. Heiser schrie er; wie seine böhmischen Augen dabei feucht schillerten.
Man braucht solche Menschen hier. Sache des Kaisers ist es, sie zu belohnen. Sie hungern zu lassen und zu füttern, je nach den Umständen, um sie desto willfähriger zu haben. Das ist das Geschäft des Kaisers. Die Aufgabe der Krone. Es ist in allen Ländern so. Man verliert die Krone ohne dies Spiel. Man sollte vielleicht diese Menschen auf den Thron lassen, das wäre wohl das Richtigste, das Glatteste.
Als sie ihr Gegenüber beendet hatten, ließ der Kaiser, ohne den Platz zu wechseln, stumm den Fürsten Eggenberg kommen, fragte ihn, was er nun zu tun hätte. Plötzlich war es dem Kaiser geworden, als ob er die Balance verlor, schwindlig wurde und in einer kichernden bewußtlosen Freude nicht wußte, was heute war, was morgen sein wird, in welchen Zimmern er ging, in wessen Zimmern er ging. Ja, das große Geheimnis, das ihn tief beglückte, wollte er dem Fürsten Eggenberg nicht verraten, vielleicht aber der Mantuanerin, die bald kommen mußte: daß er manchmal nicht wußte, in wessen Kleidern er hier herumging, er auf zwei hebenden fühlenden Beinen, mit einem beweglichen Kopf; daß ihn die Unterschriften tief fesselten, die seine eigenen Hände zogen; manu propria, hieß es, mit eigener Hand. Sieh da, sieh da, der Ferdinand.
Und Eggenberg wurde von ihm umarmt, Ferdinand scherzte mit ihm, daß er sich von Trautmannsdorf nicht habe in den Tod jagen lassen. Nun werde er wohl auch wissen, was mit dem Herzog zu geschehen habe, wie man ihn belohnen und abfinden müsse; nun sei
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