Wallenstein (German Edition)
zerbrochen, sie selbst für Schelme erklärt, die Namen von vierzig flüchtigen Offizieren an den Galgen geschlagen.
Die Finnen, das braune Rattengewimmel Tillys, Reiter des Stålhandske, fanden den schwerleibigen Gustav Adolf, das abgelebte breitgequetschte Gesicht an die Erde angedrückt. Vierhundert småländische Reiter, den Pallasch gezogen, der Rest des Regimentes, an dessen Spitze er gefallen war, eskortierten ihn über Weißenfels nach Wittenberg, nach Wolgast, wo die Totenfeierlichkeiten erfolgten an dem Meere, über das er gefahren war mit Koggen Gallionen Korvetten, das Admiralsschiff Merkur mit zweiunddreißig Kanonen, dahinter Västervik, Pelikan, Apollo, Andromeda, Regenbogen, Storch, Delphin, Papagei, Schwarzer Hund.
Hier am salzigen ruhelosen Meer, unter dem Tosen der Winterstürme, hatte sich eine stumme Gesellschaft aus Metall Holz Tuchen versammelt, um den verwesenden ausgeweideten Leib zu erwarten: hohe silberne Gueridons, florumwickelte Wachskerzen, ein Trauergerüst in der Kirche, der Katafalk, das Schmerzenspult. Lebende Menschen und Tiere wogten um die bewußtlosen Gegenstände, den bei Lützen vor Monaten zuletzt fühlenden Leib, der jetzt nicht mehr war als die Gegenstände, die für ihn geschnitzt, genäht, geschmiedet wurden. In einen Zypressensarg war die verhüllte triefende Zentnermasse von Fleisch und Knochen geschoben, auf einen samtbeschlagenen Leichenwagen gestellt. Den bloßen Degen unter dem Arm gingen die Leibgardisten voran, das Bataillenpferd folgte, die Blutfahne, Hoffouriere, Marschälle, Trabanten mit verkehrten Gewehren, Herolde, Pauker, das Wappen. Die Zipfel der Sargdecke trugen Offiziere, Kavaliere in stumpfem Tuche, ohne Handschuh neben dem schleppenden Wagen, Trabanten mit umgekehrten umflorten Partisanen. Hinter dem Wagen Marschälle mit Stäben, Minister, Hofkavaliere, Beamte, geführte schleierübergossene Frauen, deren Schleppen man trug. Die Königin, grau und weiß gekleidet.
Ihr war noch kein Sarg gezimmert wie dem toten Gemahl. Mit Entsetzen ging sie in dem Zug. In einem Zypressensarg vorn unter einer schwarzen Samtdecke, an der Offiziere zerrten, lag eine gedunsene dicke Masse, zerfließend, die ein blauschwarzes Gesicht hatte, an der Arme und Beine hingen, etwas, das an Fleisch erinnerte und das Gustav Adolf, der starke singende jähzornige Mann, der Vater ihrer springenden kleinen Tochter, sein sollte. Es ekelte, graute sie; sie konnte nicht entrinnen, man führte sie; eine Brechneigung stieg in ihr auf; sie wurde hier vergewaltigt; blind taumelte sie am Arme ihrer Hofdamen, Zittern in den Beinmuskeln.
In das dunkle hochgeweitete Kirchenschiff hinein. Trompeter bliesen vorn: »Mit Fried und Freud ich fahr dahin.«
Hinter dem kostbaren Trauergerüst riesengroß in sich bäumender Bewegung ein metallener Schmerzensmann am Kreuz; angenagelte Hände und Füße, Stöhnen aus dem offenen Mund, Blutrinnsale vor den Ohren, keuchend zusammengepreßte Rippen, muldenhaft eingezogener Leib.
Gebrüll der Kanonen.
Sechstes Buch
FERDINAND
WALLENSTEIN GING nicht aus Böhmen. Die Bitten, die der Wiener Geheime Rat aussprach, schon als er auf dem Marsch über Leipzig war, nicht nach Böhmen zu kommen, die Lande des Kaisers zu schonen, waren erfolglos geblieben. Es erfolgte keine Antwort, bis das ganze Heer sich über Böhmen ausgebreitet hatte, und dann eine ungenügende: es sei hier am sichersten, man könne am besten den Feind beobachten, sich selbst am raschesten wiederherstellen. Das Reich bot bessere Kreise zu Quartieren als das Erbland Böhmen; aber der Herzog lehnte Verhandlungen ab. Er dehnte sogar die Quartiere über Mähren aus. Niemand in Wien hatte etwas anderes erwartet; man erschrak doch, als es eintrat. Der Herzog war so logisch wie ein Verhängnis geworden. Er wollte auf die rascheste Weise den Kaiser unter die Sohlen nehmen. Die Einnahmen des Kaisers, seine einzigen, aus den Erblanden wollte er zum Schrumpfen bringen, aus der schweren Verschuldung eine förmliche Armut machen. Der grausame Wucherer und Geldeintreiber stand über ihnen.
Bittreisen nach Prag und Gitschin traten der Abt von Kremsmünster, Breuner und dann persönlich Trautmannsdorf im Winter an. Trautmannsdorf war der Gast des Feldhauptmanns in der heiligen Zeit der zwölf Nächte; sie hatten gemeinsam Spaß an den ländlichen Gewohnheiten. Die Kinder liefen mit geschwärzten Gesichtern vor die Häuser, holten sich Gebratenes. Ernsthaft stiegen Männer von Baum zu Baum auf den
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