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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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wie ich daran denke. Wenn wir Gott zu uns gezogen haben, sind wir unbesiegbar.«
    Auf diesem Rückmarsch nach Norden, den die Truppen mit Drohen und Murren antraten, gab es kein Ausreiten, wildes Fouragieren, Plündern. Der König war selbst Tag und Nacht unterwegs.

    NACH WOLKERSDORF war der Kaiser aufgebrochen zur Jagd, die Mantuanerin hatte er in der Burg zurückgelassen.
    Das Sausen und Schütteln des mächtigen Herbstwindes gegen seine schmale holzgebaute Schlafkammer. Er stand, während die Kerze von dem einströmenden Luftzug flackerte und erlöschen wollte, mit nackten Füßen auf dem Teppich, an dem losen Schlafmantel zerrte er, die Mütze lag am Boden. Arbeitete mit den Armen: »Gebt Raum!«
    Schnaufend, schnaufend. Glänzend vor Lachen sein Gesicht, inbrünstig stampfend seine Beine, vorwärts drängend. Mit den Ellbogen seitwärts ausschlagend, als arbeite er durch Gestrüpp. »Gebt Raum!« Lange Zeit. Erschöpft in den Sessel sinkend, lachend.
    Bei Tag kamen Eggenberg und Trautmannsdorf herüber. Sie lobten den Herzog Friedland und daß alles ein besseres Aussehen gewinne. Bei Nürnberg habe sich der Schwedenkönig gewaltig die Hörner eingerannt, laufe jetzt hinter dem Friedland her, der ihm bald den Rest geben werde.
    Der Kaiser dachte: der Schwede und der Friedland, diese werfen sich jetzt übereinander; sie zerfleischen sich, dann werden sie voneinander lassen. Ruhig und freudig besprachen die beiden vor ihm, daß man hoffe, auch den Friedland in der Gewalt zu behalten.
    Was war das? Bald den besiegen, bald den besiegen. Jetzt wieder den Friedland. Jeder will die Macht haben.
    Der Kaiser fragte nach dem Friedland und was sie da Sonderbares besorgten.
    Er hätte zuviel Gewalt an sich genommen; man müsse bei seiner Leidenschaft auf der Hut vor ihm sein.
    Auch das. Auf der Hut vor dem Friedland. Wie sich die Welt rasch verändert, wenn man sie nicht dauernd im Auge behält.
    Die Herren fragten sonderbar, ob die Majestät lange in Wolkersdorf zu bleiben gedenke, und ob die Majestät ihnen für dringliche Fälle Vollmacht gebe.
    Sie sahen ihm etwas an? Wollten die Hunde den Erzherzog Leopold wieder hervorziehen? Wie in den wonnesamen Tagen. »Ich weiß noch nicht«, brachte Ferdinand heraus, seine Augen bedeckend. Er grollte; es war nicht entschieden bei ihm. Er zitterte, wie er sich den beiden, die ihn beobachteten, gegenübersah; sie kamen ihm wie Inquisitoren vor. Er entließ sie leise drohend und abweisend. Sah, wie sie gegangen waren, den Saal noch im Nebel. Entwich auf die Jagd.
    Sie fanden auf der Rückfahrt, man müsse Lamormain gegen den Kaiser vorschicken. Der Kaiser versinke in unheimlicher Weise in sich; beide dachten, ohne es auszusprechen, an den geisteskranken Kaiser Rudolf.
    Wie es Abend wurde und der Mond aus dem Birkengehölz trat, stand der Kaiser mit nackten Füßen auf seinem Teppich, schnaufend, arbeitend: »Gebt Raum, gebt Raum!« Inbrünstig lachend, stampfend; ein lakenweißes mondgetauchtes kleines Menschenwesen. Alles war wieder klar vor ihm. Er erschöpfte sich nicht. Pelzschuhe zog er sich an, einen wattierten grünen Mantel warf er um die Schultern. Träumend, gierig, fast lüstern legte er sich in das offene schmale Fenster, sah in die scharf gezackte raschelnde Blättermasse.
    An ihm sauste es vorbei. Aus dem Zimmer heraus. In das Zimmer hinein. Über den Schultern, neben den Ohren. Ungeniert ging es hin und her. Sauste mit Schwung, klirrend in den strahlenden Kiesboden. Schlich warm dicht neben seinem Hals, neben seinen Armen hinaus, eine große Katze, ein langes behaartes geschwänztes Tier. Wesen, die ihn kannten. Vielerlei Wesen, die hier ihren Aufenthalt hatten, keine Notiz von seiner Anwesenheit nahmen. Er war grade zwischen sie geraten. Schwindlig und müde machte es ihn in der ziehenden Aufgeregtheit, daß er den Kopf fallen ließ und die Augen schloß.
    Die Kammer war zu ebener Erde. Er fühlte sich gedrängt, einen Sessel zu nehmen und über das Fensterbrett ins Freie zu steigen. Sie halfen ihm rechts und links steigen. Faßten ihn bei den Händen, wie er herunterstieg. Er ging ein paarmal zwischen den schwarzen Bäumen. Lief plötzlich, um es zu machen wie sie, rasch laufen, weich andrängen, sich anheben, fliegen. Sie schwirrten um Äste und Gipfel, stürzten ab, blieben klatschend liegen. Man konnte sie zertreten, sie zerflossen wie Schatten in die Erde. Dieses Anrufen, Lärmen, plötzliches Verstummen.
    Ein Teufel, dessen Größe er im Dunkel nicht erkennen

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