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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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uns kujoniert haben, mich und Pawel.« Camerarius drückte ihm die Hand: »Einigkeit, Rusdorf.«
    Aber kaum schrieb der Kurfürst, kaum öffnete er einen Brief. Er freute sich der Stadt, trank viel, war herzlich mit seiner Frau Elisabeth. Dann erlag das pfälzische Quartier der Nachricht vom Tode Gustavs in Sachsen. Im Augenblick fiel alles in Zuckungen: ratlos schweifte man umeinander. Die Kurfürstin drängte, weiterzureisen, nach dem Haag, verlangte fort nach England, schmähte das Reich.
    Da begann Friedrich lebhafter die Wiener Korrespondenz aufzunehmen. Ungestört festierte er in seinem Quartier, die Engländerin betäubte ihre Erregtheit in heftigen Vergnügungen, pompösen Reitereien, Schlittenfahrten und Späßen, die sie zum Getuschel der Stadt machten.
    Gegen Weihnachten wollte eines Abends Friedrich seinen Trinkkumpanen in einem sonderbar heftigen Drange seine Ansicht über den toten Gustav, über die Kriegsdinge und allerlei sonst sagen. Es kam aber niemand, sie waren zu Festlichkeiten in der Stadt verstreut. Er saß allein mit seinem Narren, der auf dem Stühlchen bald einschlief. »Ich habe so heftig und herzlich ihnen allerlei zu sagen«, dachte Friedrich; er wußte nicht was; alles nahm solchen guten Verlauf, er kam zum Reich zurück, er hatte ein großes Ungestüm in sich.
    Wie dann der nächste Morgen graute, setzte er sich in den ungeheuren Saal, in dem Becher Hüte Degen herumlagen, zog eine Kanne an sich, fing zu trinken an. Die anderen würden schon kommen, er würde auf sie warten. Er trank. Auf einem Thronsessel saß er, den er sich in einen Winkel geschoben hatte. In die Ecke geduckt saß er.
    Die Sonne schien hell, als Elisabeth hinten die Tür öffnete. Die kurze Nase vor Kälte gerötet, die schwarze hohe Pelzmütze über die Ohren gezogen, blonde Stirnlöckchen zwischen die Augen fliegend. Sie stolperte über einen schlafenden Lakaien; drei Taburette standen auf dem Kopf; die Matten auf dem Parkett waren zu Thronen verschoben. Das perlenbezogene silbergraue Seidenkleid mit beiden Händen anhebend, strich sie zu dem Thronsessel herüber, an dessen Außenseite eine Hand baumelte. Sein Gesicht – sie hatte ihn seit Tagen nicht gesehen – blickte sie ernst und klar an, so daß ihr Herz freudenvoll erbebte. Sie zog ihre weißen Handschuhe aus, wischte ihm das weinbespritzte Haar ab, wischte ihm den fetten schweißbestandenen Hals unter der zerknickten spanischen Krause und faßte ihn, wie er sie nur stumm ernst anblickte, am Kinn, um ihn auf den Mund zu küssen. Sein Nacken war weich und schwer, der Kopf wich an der Rückwand des Sessels leicht links ab. Vornübergebeugt zu ihm, die pelzbezogene Wange an seinem Gesicht, rief sie nach rückwärts: »Tischwart, Schenk, Wein.« Da wehrte es ab: »Nicht, nicht«, aus dem Munde vor ihr, aus dem Körper vor ihr. Der Körper hob sich wenig, sie abdrängend, auf die Füße. Er strahlte sie innig, armhebend an, blieb starr mit dem Blick auf sie. Sein Mund ging auf, er schien lachen zu wollen oder zu weinen oder trübselig zu klagen. Die Nase, die Oberlippe hob sich in einem Weh. Er plumpte schwer zurück. Sein Hals, sein Kopf lief rotblau an, schwoll unter leisen, dann heftigen Zuckungen der Wangenmuskeln, rollte, während sich die blauen Augen trübten, von der rechten Schulter auf die Brust. Die Beine standen eingeknickt unter dem Sessel, der Körper schien herabrutschen zu wollen. Lautes Schnarchen, der linke Arm griff abwärts in die Luft neben einem Sesselbein. Die Fürstin schrie angstvoll mit zusammengebissenen Zähnen auf. Dann torkelte der Kopf mit einem brüsken Stoß wieder auf die Schulter, die Wange zuckte noch, die weißlichen Augen stellten sich blicklos in eine Ecke, der ganze Körper wiegte sich leicht in einigen Wellen.
    Sie stand da, ging nicht weg, biß sich auf die Finger, watete langsam durch den Saal zurück, immer mit gedankenlos hebenden Bewegungen der Arme, erst an der Türe sich umdrehend, als es hinten dröhnte und polterte und der Mann in der Ecke kopfaufschlagend auf das Parkett rutschte. Sie ging ohne zu sehen über den Hof, indem sie sich den Nasenrücken rieb, den Schnee von ihrer Schleppe schüttelte. Bei jedem vierten fünften Schritt blickte sie rückwärts, an sich herunter, schüttelte die Schleppe.
    Ein Roßbube sah sie vom Stall aus gehen, pfiff zwei aus dem Fenster schauenden Damen, wies stirnrunzelnd auf die langsam wandernde Frau. Die zitternden weißen Damen legten die Hände an ihre fortzuckenden Arme.

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