Wallenstein (German Edition)
zusammen; ein besonderer Bote war vom Herzog an den sächsischen Kurfürsten abgefertigt, Sesima Raschin war aufgetaucht und hatte Aufträge für den Schweden Oxenstirn mitgenommen.
Während es im Lager brodelte, klirrte es metallisch angespannt aus dem herzoglichen Quartier.
IRRTÜMLICH WURDEN von den Spähern Piccolominis der Graf Trautmannsdorf und Questenberg gefangengenommen und einige Tage als vermeintliche Geheimboten Friedlands festgehalten. In Wien war mit dem Erscheinen Trautmannsdorfs und Questenbergs die gemeinsame Front hergestellt. Die geheime Kommission, die den Fall Friedland behandelte, gab in panischem Schrecken nach. Sie ging mit fliegenden Fahnen ins Jesuitenlager über. Geängstigt, mit Widerstreben zogen sie zu ihren Beratungen den brutalen Grafen Schlick hinzu; man hielt es auch für gut, den jungen schmächtigen König von Ungarn zu informieren, dessen hochmütige Abneigung gegen Friedland, den »anmaßenden Emporkömmling«, sonst alle abstieß. Nach der Gehorsamsverweigerung, dem offenen Rebellionsakt des Pilsener Schriftstückes war aber die Enthebung vom Generalat unvermeidlich geworden. Das Generalat sollte auf Gallas fallen, der in Pilsen saß und an den man nicht herankonnte; darum sollten zunächst Aldringen in Bayern und Piccolomini die erforderlichen Absetzungsmaßnahmen in aller Heimlichkeit, Schnelle und Entschlossenheit betreiben. Man schickte zum Kaiser Ferdinand, um die Unterschrift zu dem Beschluß zu erlangen.
Inzwischen wurde auf die Kunde eines drohenden Angriffs in aller Eile die Wiener Stadtgarde alarmiert. Den hohen Würdenträgern in der Kommission krampfte sich die Brust zusammen, als sie die wenigen hundert Mann anrücken sahen, ärmliche Leute, die bei Tag ihrem Beruf oblagen, rasch ausstaffiert mit alten Waffen, Musketen und Partisanen, die sie kaum zu handhaben wußten. Unter ungeheurem Hallo und Zulauf fuhren sie noch fünf leichte Feldgeschütze an, die Friedland im dänischen Feldzug erbeutet hatte und die man zum Schmuck auf Brücken aufgestellt hatte. Das Volk lärmte und ritt nebenher, Kinder schwangen sich auf die Lafetten, die Stadtsoldaten ließen sich von Küfern und Lastträgern helfen. Unter großer Lust der angestauten Masse wurden die Geschütze vor den Eingängen zur Burg in Stellung gebracht, die Fähnlein zogen in die Burghöfe ein, wo sie Zelte aufschlugen, Feuer machten und sangen. Es hieß unter ihnen, Zigeuner und die herumstrolchenden Unzufriedenen aus Ungarn hätten einen Raubanschlag auf die Burg vor. Unter den Herren oben wurde es wiedererzählt. Abt Anton flüsterte: »Wie wollen diese Leute einer friedländischen Armee standhalten.« Eggenberg brach in ein widerstandsloses verzweifeltes Weinen aus, greisenhaft plärrte er; Trautmannsdorf schüttelte den Kopf, als er den hilflosen Mann in einer Kammerecke sah. Trautmannsdorf wußte nicht, daß der alte Fürst auch weinte, weil ihr Herr, der Kaiser, den er jahrzehntelang beraten hatte und dem er anhing, sich so hoffnungslos von ihnen getrennt hatte.
In Wolkersdorf Todesstille. Der Kaiser auf tagelangen Ausflügen. Von Rom, gewählt vom General der Jesukompagnie, war ein gebückter uralter Priester angekommen, wartete auf Ferdinand. Lamormain, der sich nicht mehr fähig fühlte, den Kaiser zu führen, hatte um Hilfe gebeten. Der schwarzrökkige Fremde tappte unermüdlich durch die Gänge, stieg die Treppen auf und ab, nur vormittags schlief er einige Stunden. Lamormain schickte dem Greis zur Gesellschaft einen vornehmen Novizen. Der Alte freute sich, redete viel. Sie schlichen durch die Korridore, über die Treppen bis zum Dach, durch die Dachräume, die Treppen herunter.
»Weißt du, Kind, was Jesus gesagt hat. Du mußt es dir merken. ›Weide die Schafe‹; er hat es zu Petrus gesagt. Ist ein Schaf ein vernünftiges Tier? Das mußt du dich fragen. Ein großer Mann, der unsrer gesegneten Gesellschaft angehörte, hat viel darüber nachgedacht. Jesus hat nichts von sich gegeben, was belanglos wäre. Die Schafe sind unvernünftige Tiere, sie sind vielleicht die unvernünftigsten. Sie haben Triebe und Begierden und weiter nichts. Du siehst, wie Jesus von den Menschen gedacht hat und welche Aufgabe er der heiligen Kirche zuerteilte. Wir sollen sie führen und weiden, wir sollen wissen, wen wir vor uns haben; wir sollen also keine Leithammel sein. Petrus nahm den Hirtenstab und übte das Hirtenamt. Weißt du, mein Kind, wer wohl als Leithammel zu betrachten ist?« »Nein, Ehrwürden.«
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