Wallenstein (German Edition)
gelobten statt eines körperlichen Eids alles zu befördern, was zu des Herzogs und der Armada Erhaltung gereichte und sich für ihn bis auf den letzten aufgesparten Blutstropfen einzusetzen, sie wollten jeden unter sich, der treulos und ehrvergessen wäre, verfolgen und sich an seinem Hab und Gut, Leib und Leben rächen, als wären sie selbst verraten. Mit einem einzigen riesigen Freudengebrüll, Säbelschlagen, Zerschmettern von Trinkgeschirr wurde das Elaborat in dem Bankettsaal aufgenommen.
In seinem Erker wurden zwei Tische übereinandergestellt, auf dem untern stand mit geschwungenem Degen der mächtige von Ilow; wer schreiben wollte, mußte zu ihm herauf. Bei der zunehmenden Wildheit mußten bald vier Trabanten mit gefällten Partisanen den Eingang zum Erker verwahren. Draußen watete und wankte mähneschüttelnd der schmerbäuchige Piccolomini zwischen den Tischreihen, schrie italienisch, taumelte Arm in Arm mit Diodati zum Erker, brüllte: »O traditore!«, ohne daß man wußte, wen er meinte; Isolani hatte sich drei fremde Pelzmäntel über den Kopf gezogen, stürmte auf den Obersten Losy, der ihn höhnisch einen savoyardischen Affenführer genannt hatte, bedrohte ihn mit einer Tischplatte. Auch Trzka hatte das Bankett zu einer vollen Mette werden lassen, er ging mit gezücktem Degen einher, wollte jeden niederstechen. Der Erker war gedeckt, es unterschrieben Julius Heinrich von Sachsen, Morzin, Suys, Gonzaga, Lamboy, Florent de la Fosse, von Wiltberg, Montard von Noyrel, Přichowitz, Rauchhaupt, Kossetzky – dieser, nachdem er zweimal vom Tisch gefallen war und nachdem ihm die Saalwachen mit Hellebarden den Rücken gestützt hatten –, Gordon, Marcus Corpus, Silvio Piccolomini, Johann Ulrich Bissingen, von Teufel, Tobias von Giesenburg, Juan de Salazar – er ritt mit seinem elefantisch massiven Landsmann Felipe Corrasco –, Lukas Notario, genannt nach seinem Gebaren das Wiesel, der finstere Schotte Walter Butler, als letzter. Der schmächtige sanfte Christoph Peukher, der nackt, von allen Seiten mit Wein begossen, umherlief, um zu beweisen, daß er ein Mann sei: man vertrieb ihn mehrfach vom Erker, schließlich ließ man ihn zu: von Ilow warf ihn selbst aus dem Fenster in einen Schneehaufen, wie er sagte, um einen Schlußpunkt dem Elaborat zu geben. Die Offiziere drängten an die Fenster, bombardierten ihn mit Bechern und Schemeln im Schneehaufen.
DEM GRAFEN Trautmannsdorf und Questenberg wurde nach höflichem Empfang und freundschaftlichem Gespräch vom Herzog unter Achselzucken bedeutet, es hätten unvorhergesehene Zwischenfälle seinen bekannten Entschluß, zu resignieren, durchkreuzt. Er sehe sich tatsächlich seinem ganzen Lager, seiner ganzen Armee gegenüber und wüßte nicht, wie aus dieser Schlinge heraus. Was die Detachierung eines Truppenkommandos für die Spanier anlange, so hätten sich die Offiziere gesträubt, etwas anderes vorzunehmen, als was sich strategisch im Augenblick rechtfertigen ließe. Dabei müsse es denn sein Bewenden haben. Man werde es in Wien einsehen. Es sei auch nicht einfach für ihn, sich von der Armee zurückzuziehen; er bürge den Obersten und Offizieren für ihre Ausstände; wie die Finanzlage der Kaiserlichen Majestät sei, wüßten die Herren.
Trautmannsdorf fragte: »Danach vertrauen die Herren Obersten mehr Eurer Durchlaucht als der Kaiserlichen Majestät.« Der Herzog unwillig: es sei nur der Unterschied einer räumlichen Entfernung, »ich bin ihnen näher«. »Und die Befehle betreffend die spanische Verstärkung?« »Der Graf Trautmannsdorf spielt mir Theater vor. Das ist ein großes Wort, ›Befehl‹, und Euer Liebden gebraucht es gern, es kleidet Euch auch gut. Vergeßt darunter nicht die Tatsachen, die ich Euch genannt habe. Mein Sekretär soll Euch einige schriftliche Aufstellungen mitgeben; Graf Schlick mag noch einmal darüber nachdenken.«
Hartnäckig Trautmannsdorf, in dem zum erstenmal Zorn gegen Wallenstein aufwallte: »Aber die schriftlichen unausweichbaren Befehle der Kaiserlichen Majestät?« Das überhörte der Herzog, der langsam vom Tisch, an dem sie gesessen hatten, aufgestanden war und aus der offenen Truhe von der Wand einen gerollten gesiegelten Papierbogen hervorholte. Sich wieder unter Seufzen niederlassend, besah ihn Wallenstein mit undurchdringlicher Ruhe: »Dies ist das Siegel, das größere Siegel meines Feldmarschalls Christian von Ilow. Die Herren sollten Realitäten sehen und sehen, wie es mit Worten steht. Haben die Herren
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