Wallenstein (German Edition)
hinter den schwedischen Linien, in der Oberpfalz, im versengten Sachsen schwemmten die Massen; aus Erdlöchern Ställen Ruinen Gräbern, wo sie sich verbargen, kamen sie. Haßfletschend: »Es gibt nur Katholische und Lutherische, Kaiserliche, Schweden, Bayern; es gibt sonst nichts auf der Welt. Schlagt uns tot.« »Es kommt nicht darauf an, ob wir leben. Ein Bübchen, eine Weide, ein Wasser. Wir haben kein Recht zu leben. Müssen zu Mist und Erde werden.« Sie schwemmten plündernd in Dörfer. »Ein Hundsfott, der von Kaiser und Christus redet. Sie haben es verscherzt.« Gebrüll. »Ich schwöre dem Kaiser ab.« »Ich schwör’ auf Totschlag und goldene Münzen.« Sie rissen, wo sie es sahen, Wappenschilder, kaiserliche Farben, Skapuliere, Rosenkränze, geweihte Ketten und Kreuze herunter. »Schlagwasser ist besser, besprochenes Papier.« »Es ist ein Zähnchen von meinem Kind.« »Es ist kein Zähnchen, Jungfer, Ihr habt es weihen lassen.« Sie weinte: »Ich kann es nicht geben. Nehmt es mir nicht.« »Du willst uns verraten.« »Nein, Jesus kann nichts dafür. Laßt nur meinen lieben Herrn.« Sie schlugen auf sie ein. »Ich bin kein Verräter. Ich bete für euch, Gott wird euch helfen. Glaubt mir, liebe Freunde. Oh, wär’ ich schon tot.«
BLEICH, GEBÜCKT, niedergebrochen ritt vor einem heubeladenen Troßwagen neben dem starken Fuhrknecht ein Pilsener Bürger, ein etwas fetter Mann unter einem schwarzen breiten Lederhut; den hatte der Fuhrknecht auf seine Bitten mit auf den Weg nach Prag genommen. Wie die Verbände sich stauten auflösten, die Aldringenschen Reiter durch die Reihen galoppierten, steckte der Pilsener dem Knecht einen vollen Beutel in die Hand, löste das Begleitpferd vom Wagen, sprengte rückwärts. Slawata, schwindlig aufgewirbelt, hatte nur den Gedanken: wo ist der Herzog, wir verlieren ihn, er entwischt. Er hatte ihn in Pilsen belauert, jetzt: wo war er.
Einen halben Tag durch Getümmel und Schlägerei. Ihn fangen, ihn nicht entwischen lassen. Und dann der Jubel: Trzkas Kürassiere, Kompagnien, die westwärts zogen, nördlich an Pilsen vor den Wäldern vorbei, in der Richtung auf Mies.
Entlang dem Zug ritt Slawata: eine Doppelreihe langsam auf der Allee schreitender Musketiere, in der Mitte Dragoner zu Pferde, dahinter eine geschlossene Sänfte, von zwei Pferden getragen. Berauscht ritt der ärmlich gekleidete Mann auf den Feldern in großer Entfernung hintennach, löste sich nicht von der geschlossenen Sänfte, deren Anblick ihm wohltat, die der Wind umblies. »Ich habe dir ein gutes Grab bereitet«, flüsterte er vor sich, streichelnde Blicke herüber, »es wäre schade um dich, du wärst irgendwo gestorben in einem Bett und es wäre niemandem ein Glück damit geschehen. Ich freu’ mich für dich.« Das Pferd stieß: »Es ist lustig, es spürt mich. Komm, nicht so wild. Du sollst ihn ziehen, wenn er unser geworden ist. Wenn er so schön lang und still liegt.« Das Pferd wieherte lustig, ging ruhiger.
Ihn überfiel, wie er einsam durch den Lehm nachschleppte, die Freude, die von rückwärts über das dunkelnde Feld über seinen Rücken herwuchs. Wie sich alles so jäh gewandt hatte, als wenn die Vorsehung ihm in die Hand spielte: das Heer zerrissen, keine Brücke zu Piccolomini, die saßen drüben in Prag, konnten nicht an ihn heran, schrieben Erlasse, Proskriptionsmandate, Ächtungen, Vogelfreierklärungen: sie kamen nicht heran an den Friedland! Er, er, er hatte ihn, hier ritt er, allein, im Namen der ewigen Bestimmung. Drüben, wie schön, wie schön, trug man ihn in einer Sänfte. Die guten beiden Pferde, daß sie ihn treu behüteten; die Kürisser, daß sie ihn gut bewahrten. Er gehörte ihm. Er war ein Böhme, er war sein Vetter. Es hatte keiner Anspruch auf ihn.
Er labte sich an dem Gedanken in der rasch fallenden Dunkelheit. Von magischer Sicherheit war er geführt.
Der Herzog bog in Mies ein. Und wie Slawata verzückt auf leerem Felde und willkürlos den Lederhut abnahm, ihm nachsah, marschierten von Süden Kompagnien an, klirrende, schwer gepanzerte Dragoner. Slawata mischte sich erschreckt unter sie, da schwenkten sie in das Städtchen ein, geführt von einer Trzkaschen Patrouille. Bis in die Nacht wartete der Böhme hinter dem Hause, in dem der fremde Oberst einquartiert war. Als er vom Herzog zurückkam, drang Slawata zu dem finsteren Mann fast unter Gewalt ein.
Er rang mit ihm zwei schwere Stunden. Dieser Oberst, der auf dem befohlenen Marsch nach Prag zum
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