Wallenstein (German Edition)
ihm das Kommando abgenommen. Man fing schon vereinzelte vorspürende Aldringensche Reiter im Gelände, die wußten, daß sie den meineidigen Wallenstein hatten aus Prag jagen sollen; die Friedländischen hätten ihn schon verlassen. Trzkas Reiterei mit leichter Artillerie zehn Meilen südwestlich von Prag wurde von einem starken Aldringenschen Dragonerregiment gestellt. Die Dragoner fingen den Stoß auf, Trzkas Reiter wurden zurückgeworfen, sie fluteten zurück. Trugen Bestürzung in die langsam marschierenden Massen. Das ganze Heer, als wenn es gegen einen Wald von Piken liefe, wogte und rollte. Kleine schwerbewaffnete Kürassierpatrouillen mit Profossen und Henkern tauchten da bei allen Regimentern auf. Befehle kamen, den Marsch einzustellen, zur Formierung einer Kampffront.
Helles frühlingsmäßiges Wetter. Wasserlachen, schmelzender Schnee auf den Chausseen. Anplantschend von allen Seiten lauschende Weiber, bekümmerte Bauern: von Prag sei in wenigen Stunden der Anmarsch der Kaiserlichen zu erwarten. Berichte von den Verlusten bei Trzkas Reiterei. Erschütterung, Erbitterung lawinenartig flutend über die gestauten Regimenter. Geflüster unter den Augen der Polizeipatrouillen: »Wir sind in den Winterquartieren. Kaiserliche! Wir sind Kaiserliche! Was will man von uns! Wer betrügt uns.« Die Truppen auf den Feldern, zwischen den Dörfern, die nichts hergaben: »Vorwärts, vorwärts! Auf Prag. Wir warten nicht.« Es tobte hin und her zwischen den Regimentern; vorwärts wollten sie alle, auf Prag, kein Kampf, man führte keinen Krieg mit Kaiserlichen.
Beim Regiment de la Mouilly fing es an; die Fuhrknechte zweier Hagelgeschütze hatten laut geschworen, sie würden noch morgen zum heiligen Sigismund in Prag am Schloßgrab beten; sie waren aufgeknüpft worden; Korporale, Fouriere und einige Schlangenschützen waren über den Profoß und seine Leute hergefallen, hatten sie niedergeschlagen; die nahende Kürassierpatrouille schoß in den Haufen mit Pistolen. Darauf fiel die geschlossene Kompagnie über sie, zerriß sie. Geschrei und Getümmel dehnte sich über die nahen Regimenter aus, überall wurden die Patrouillen angefallen, entwaffnet oder niedergemacht, Gerichtswebel, Schultheiß, Stabhalter gebunden. »Nach Prag!« tobte es, beim Regiment Altmannshausen, Rodell, Balbiano, Haimerl, Notario. Der geschlagene Vortrab ritt schon an mit weißbewimpelten Lanzen. Obersten und Offiziere folgten willenlos; das Heer schob sich vorwärts. Tumultartig überrannten sich Abteilungen, brachen seitlich aus. Schwere Artillerie blieb auf den Feldern stecken.
Da scholl Lärm, Freudengeschrei vorn, Marradassche Aldringensche Reiter, fast waffenlos, galoppierten unter den aufgelösten Verbänden! Sie hatten Befehle an die kommandierenden Obersten bei sich, eine Ordonnanz des neuen Generalissimus Gallas. Er drohte kraft des ihm erteilten kaiserlichen Patents, bei Vermeidung kaiserlicher Ungnade: keiner der Herren wolle mehr Ordonnanzen vom Friedländer, Ilow und Trzka annehmen, sondern allein dem nachkommen, was er befehlen werde oder Aldringen und Piccolomini.
Auf den Feldern zwischen Pappelständen und den zahlreichen geschwollenen Bächen gab es ein kurzes unordentliches Gefecht: fünf Kompagnien Trzkascher Kürassiere, erlesene deutsche Truppen, schlugen sich nach Süden durch, Wasser und Erde werfend.
AUS DEN südlich gelegenen böhmischen Sümpfen, aus ungarischen Salzfeldern waren sieben Teufel losgebrochen; häuserhoch, baumlang die Arme an den Schultern schleppend. Sie liefen geduckt im Frühlingswetter zwischen den Wäldern. Von Wolfsart war ihr Fell; knietief schlugen sie ihre Hufe nachts in die weichen nassen Äcker. Bei ihrem Trappeln, beim Trompeten ihrer Nasen stürzten viele Menschen tot um. Manche wurden bei ihrem ungeheuren horizontverdeckenden Anblick von der Lust ergriffen und davon bewältigt, mitzulaufen, nachzurennen. Sprangen an, hingen sich an die dicken Zotteln, krochen in dem Gedünst an ihnen hoch, grunzend und blasend wie sie, oft im Lauf zerquetscht an Felsen oder bei Flußübergängen ertränkt.
In Böhmen und Mähren bemächtigte sich eine rätselhafte Panik der Regimenter. Niemand wußte, woher der Schrecken kam. Immer lief ein Teufel hinter dem andern; oft rannten sie ziellos im Kreis. Es hieß, sie wollten durch das Reich an die russische See. Bei den Sachsen fingen die Fahnen an den stillstehenden Stangen zu wehen an. Das Regimentsspiel klirrte bei schwedischen Regimentern.
In den Wäldern
Weitere Kostenlose Bücher