Wallenstein (German Edition)
merkte der Hofstaat auf. Die Riesenbeute würde an den Kaiser fallen, und was an den, und was an den. Die Kenner der herzoglichen Güter, des Prager Hauses, Gitschins wurden ausgeforscht: und plötzlich ging man hitzig fauchend herum, belauerte sich, verteilte. Wer wollte urteilen, an wen sollte es fallen? Der Kaiser war nicht da, der König von Ungarn unerfahren, Eggenberg hatte sich von den Geschäften zurückgezogen. Nur Graf Schlick hatte noch eine feste Hand. Es würden ungeheure Besitzmassen zur Verteilung kommen, man würde nicht mit sich spielen lassen. Ansprüche wurden geltend gemacht. Verdienste behauptet, bestritten. Die Väter schürten; jedes Wasser auf ihrer Mühle war recht. Es gingen am Hofe verkappte und ehemalige sehr laute Anhänger des Friedländers, Offiziere, die er hochgebracht hatte. In Schmähungen erging man sich schon auf Piccolomini und Aldringen; man gedachte sie bald zu kirren.
DER MARSCH auf Prag wurde in Pilsen beschlossen. Schaffgotsch sollte aus Schlesien zur Unterstützung in jedem Fall herangezogen werden. Nach allen Richtungen lief augenblicklich der Befehl Wallensteins an Obersten und Generalspersonen zum Generalrendezvous der Truppen bei Prag. Er selbst werde sogleich dahin aufbrechen.
Wie aber der Herzog am Morgen nach der Konferenz sich in einer Sänfte ins Lager tragen lassen wollte, war die Stadt auffallend still, Straßen friedlich ohne Posten und Patrouillen, die Tore unbesetzt.
Der lange Ilow am Stadtausgang auf nassem Pferd anklappernd, herunterklirrend zur herzoglichen Sänfte, konnte nur melden, daß der Oberst Diodati nachts in aller Heimlichkeit die Einquartierung Pilsens gesammelt habe und in Richtung Prag abgezogen sei. Mit Diodati sei der schmerbäuchige spanische Agent Navarro verschwunden, der seit einigen Wochen in Pilsen herumpokulierte.
Am Abend dieses Tages, der den Befehl zum ungesäumten Abbruch des ganzen Lagers brachte, wurde in der Sachsengasse beim Friedländer, der über Diodatis Abzug die Achsel gezuckt hatte – der Schwächling gefiel ihm nie –, eine Gesellschaft Juden gemeldet, die sich schon seit Tagen in der Stadt herumtrieb und nicht abzuweisen war. Da die Juden gebeten hatten, allein mit Wallenstein zu sprechen, blieb nur Neumann in dem kerzenerhellten Zimmer. Sie warfen sich, beschmutzt vom Straßenkot, adlig gestiefelt und gespornt, sechs kräftige Männer, auf die Knie, zwei ältere weinten. Ihren Primas, den Bassewi, hätten sie nicht mitbringen können; Bassewi sei gefahren, für den Herzog in Augsburg Geschäfte zu betreiben, er wollte gerade jetzt keine Stunde versäumen. Und dann holte ein Älterer aus seiner grauen Kappe, die vor ihm auf der Matte lag, einen wunderlich bekritzelten langen Papierstreifen hervor und las, auf das düstere Nicken des Friedländers, das Absetzungspatent vor, während ihre langen Schatten sich auf dem Boden bewegten, das in den Straßen Prags ausgetrommelt wurde, als sie davonritten. Sie schlugen sich die Brust: der böse Piccolomini sei in das herrliche Friedländerhaus eingezogen, mit List und Gewalt sei er über alle hergefallen; sie wollten dem Herzog Auskunft geben über alles und jedes, was sie gesehen hätten, er solle wiederkommen, rasch, rasch. Mit langem Schweigen hörte sie Wallenstein an. Er zitterte, getroffen, auf seinem Schemel, zischte: »Die Kanaille, die Kanaille.«
Neumann mußte die Daten aufnehmen, die die Juden zu melden hatten. Was die Juden noch wollten, drohte der Herzog. Sie lagen wieder auf den Knien: er hätte sich ihrer soviel angenommen; die böhmischen Völker warteten seiner; sie hingen ihm an, er möchte sich ihrer erbarmen. Friedland schien ihnen nicht zugehört zu haben, sein Gesicht hatte die Blässe und Verzerrung zunehmender Wut, seine Augen wurden steif und abwesend; auf Neumanns Wink flüchteten die Juden auf den Zehenspitzen aus der Stube. Sie durften ihn auch am nächsten Tage nicht sprechen; Neumann riet ihnen, sich aus der Sehweite Friedlands zu begeben. Die Nachricht von der Besetzung seines Prager Hauses durch den schelmischen Italiener war tödlich heiß in Wallenstein gefahren. Wie vor Brennesseln wich er vor den Juden zurück, als er sie nahe dem Lagertor traf, wo sie in einem bittenden Haufen standen. Er wußte nicht, was sie ihm sonst vorgetragen hatten; sein leidenschaftlicher Schmerz.
Trzka küßte am Abend dem Herzog die Hände, schwur, die Niedertracht an Piccolomini rächen zu wollen, und wenn es sein Leben koste. Der Herzog röchelte; er
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