Wallenstein (German Edition)
seinen Einfluß auf den Kaiser geltend machen. Um? Um auf ihn zu wirken. Und in welchem Sinne? Nicht ihn zu knebeln, sondern ihn zu führen, wie es die Dinge fordern.
Lamormain war ein Bauer, in dem Ardennendorf Dochamps bei dem zerstörten La Moire Mannie aufgewachsen, sein rechter Fuß hinkte, weil er sich mit der Sense beim Mähen in den Knochen geschlagen hatte; als kleiner jesuitischer Lehrer wäre er verkommen, wenn nicht sein Oheim Koch beim Kaiser Rudolf gewesen wäre, ihm einen freien Stiftsplatz in Prag verschafft hätte. Bestimmt legte er hin: »Ich bin der Herren getreuer Diener. Es darf nichts gegen den Kaiser geschehen, nichts gegen ihn geplant werden, nichts an meine Ohren gelangen. Statt ihn zu fesseln, ist meine Aufgabe, ihn in Schutz zu nehmen und ihn als sein Gewissensrat in unverzügliche Kenntnis von jedwedem Anschlag zu setzen.«
Die Herren, nach einem klanglosen Auflachen des kleinen Obersten, baten um Dispens für Minuten, während deren sie das Gemach verließen.
Dann: Was sich Lamormain verspräche, wenn der jüngere Bruder des Kaisers, der Erzherzog Leopold, an der Regierung teilnähme.
Die Herren seien von einer ungeheuren Offenheit.
Es heißt den Dingen ins Auge sehen. Es ist notwendig, die andern Mitglieder des Hauses Habsburg von der drohenden Gefahr zu orientieren. Man muß sich sichern vor den Ausbrüchen einer unberechenbaren persönlichen Politik, die jetzt nur schweigt.
Es heißt klar sehen. Mansfeld und Durlach sind das A, England heißt das B, Dänemark das C, und das ganze furchtbare steinerne Abc solle zerbeißen ein schlechtgezimmertes Deutschland, Kurfürsten, die sich entzweien, Rechtgläubige Protestierende Calvinisten. »Wir wollen noch einmal sagen, der Katholizismus steht auf dem Spiel, wenn wir nicht eingreifen und vorbeugen. An dem Schicksal des Reichs nimmt ja der geistliche Herr kein Interesse.«
Plötzlich lachte der stehende Priester in kleinen herausfordernden Stößen: »Woher aber, edle und gestrenge Herren, seid Ihr meiner so gewiß, daß Ihr also deutlich vor mir sprecht?«
Questenberg in seinen hohen Reiterstiefeln machte eine Verbeugung vor ihm, während er die Arme öffnete, die Hände öffnete und eine stumme lächelnde Demutserklärung ablegte. Der hagere Oberst klopfte sich heiß gegen die lederbeengte Brust; mit verzerrtem gehässigem Ausdruck bog er den vibrierenden Kopf zurück: »Ist uns der geistliche Herr recht gekommen. Hätten uns, wie wir hier saßen, auch unserem kaiserlichen allergnädigsten Herrn nicht versagt. Brauchen nicht den Esel beim Schwanz aufzuzäumen, packen, mit jeglichem Verlaub, den Stier bei den Hörnern.«
Milde zog der Priester seinen Pelz zusammen: »Zu gütig, daß mich mein Herr für ein so verwegenes Tier hält. Aber wenn nun der Stier stößt?«
Questenberg, unter den drohenden Ausrufen und spöttischem Achselzucken: »Nur zu! Wird uns ein Vergnügen sein. Werdet zwei Stunden zu spät kommen.«
»Mich schwitzt«, sagte Lamormain, blickte zur Tür, »in so dichter edler Bundesgenossenschaft bin ich lange nicht gewesen. Es ist nicht mehr so windig, edler Graf Stralendorf. Ich denke, Euch den Pelz zurückzugeben und nach einem neuen Mantel zu schicken, mit Eurer Gunst.«
Er beobachtete lippenbeißend die erhitzten Gesichter: »Seht, Ihr edlen Herren, jetzt seid Ihr aufmerksam. Jetzt fragt Ihr, auf welche Seite stellt sich der lange Lamormain und wird er uns verraten? Ich werde Euch nicht verraten.«
Damit drängte er gegen die Tür. Der kleine Oberst rührte ihn am Arm: »Ist das alles, Herr?«
Verächtlich Lamormain über die Schulter: »Ist das nicht genug? Ist Euch der Kopf auf der Schulter nicht genug?«
ALS LAMORMAIN am nächsten Mittag aus der Burg vom Besuch eines schwerkranken kaiserlichen Leibarztes, des witzigen Menschenkenners und Menschenfeindes Gabriel Ferrara, kam, trugen ihm in der Taschnergasse und dann am Hafnersteig verängstigte Novizen seines Ordens, unversehens aus Häusern sich nähernd, zu, daß der Platz vor dem Kolleghaus, der Universität, von einem ganzen Fähnlein grober Berittener besetzt sei, die sich ganz ruhig verhielten. Sie hätten den Eindruck, als ob auch hier und da in den Straßen verstreut sich Bewaffnete befänden; trügen große Sorge seinetwegen, um so mehr, als vor einer halben Stunde, bald nachdem er zu dem frommen Gabriel Ferrara gegangen sei, eine Anzahl Karossen und Sänften vor dem Profeßhaus hinter der Universität erschienen wären; die edlen Insassen hätten
Weitere Kostenlose Bücher