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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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der kleinere schmalgesichtige Offizier, der atemlos gewartet hatte: »Nun soll uns der Pater Lamormain verraten, ob er auch wagen würde, an einem andern Ort so zu singen und zu stolzieren.«
    »An welchem denn? Im Konvent? Im Profeßhaus? Auf der Kanzel? Im Beichtstuhl? Liebwerter Herr Oberst, nein.«
    »Geglaubt. An einem andern Ort. Von dem er herkommt. Vor einem andern Gesicht.«
    Lamormain türmte sich ernst hoch: »Vor welchem mag der Herr wohl meinen?«
    »Ganz recht! Denkt weiter! Eben vor dem.«
    »Vor –«
    »Eben vor dem. Nun!«
    »Ihr meint vor dem Gesicht unseres allergnädigsten Herrn.«
    »Nun, Herr Pater, wann habt Ihr ihm zuletzt das Lied von dem Winterkönig gesungen, wie sein Magen nicht mehr dauen kann und Länder von sich gibt? Wir allesamt kennen das Gesicht des Kaisers, das er damals geschnitten hat.«
    Sie schwiegen im Augenblick. Dies war ein Signal. Finster blickte der massive Priester auf die Fliesen: »Ihr redet eine schlimme Sprache, Oberst.«
    »Sprecht einmal«, grunzte und knurrte in die Stille, die Arme wie zwei Balken über dem Schemel wiegend, der verbissene unbeirrbare Questenberg, »wohin hat es geführt, daß wir über die aufständischen Böhmen gesiegt haben? Und wohin hat es geführt, daß Mansfeld geschlagen ist, der Durlacher dazu? Jetzt hat der Pfalzgraf den Schwanz eingekniffen und ist davon, unter die Fittiche seiner Verwandten, er wagt nicht, den Schnabel zum Nest herauszustrecken. Und in Wien, in der Hofburg – gibt’s Trauer! Das reimt Euch zusammen! Wir wagen nicht zu sprechen von Sieg.« Den Schnauzbärtigen sah lange still der Pater an: »Ihr wußtet früher etwas anderes. Es war mir eine leise, gewiß freudige Überraschung, Euch bei unserem werten Freund Stralendorf zu finden. Im Geheimen Rat soll einer geklagt haben über den Krieg; er schätzte den habsburgischen Gewinn aus dem Feldzug sehr gering ein. Viel höher, Euer Liebden, soll er den Gewinn eines gewissen verwandten erlauchten Hauses bemessen haben.«
    »Darum sitz’ ich hier. Wir haben erkannt, daß sich Bayern zuviel vom Siege einsackt. Das ist auch Habsburgs Krieg. Man drängt uns an die Wand. Ihr wißt, Pater, was das kaiserliche Haus bezahlen muß. Darum greif ich lustig nach dem Sieg als meinem Sieg. Wie viele Gefangene hat der alte Tilly gemacht, wieviel Kartaunen Singerinnen Feldstücke und Totenorgeln haben sie eingeheimst in dem einen Sommer! Standarten Fahnen! Und wir wagen nicht, den Mund aufzumachen – als wenn es unsere Kanonen sind, die uns abgenommen wären, als ob wir mit eignen Leibern geblutet hätten. Lamormain, sing’ Er vom Heidelberger Faß vor der Römischen Majestät! Und erzähl’ uns, welche Aufnahme Er gefunden hat.«
    Der hagere Vizekanzler war neben dem Priester stehengeblieben; er zog ihn neben sich auf einen Schemel. »Sprecht, Lamormain. Wohin soll dies führen? Die Dinge laufen noch gut im Geleise. Wir sind in Sorge. Seht, das ist alles. Ferdinand hat etwas im Sinn, dessen wir nicht gewiß sind. Wie hat die himmlische Mutter die katholische und kaiserliche Sache gesegnet. Wir sind besorgt.«
    »Graf Stralendorf vermeint doch nicht, mein Beichtkind möchte unserm Glauben Abbruch tun?«
    »Tut es der Kaiser nicht mit Plan, tut er’s ohne. Aber Ihr seht hier diese rechtschaffnen und kundigen Männer in Unruhe. Und möchtet Ihr sagen: ohne Grund?«
    Der Pater sann beiseite gegen seinen rechten Arm im struppigen Schafspelz: »Der Kaiser hat dem letzten Unternehmen nicht den geringsten Widerstand entgegengesetzt. Ihr vermöchtet ihm nicht die leiseste Erschwerung der Angelegenheiten nachzuweisen.« Der jüngere Oberst krähte: »Wir wollen nicht das Reich gut regiert sehen wider den Willen des erwählten Kaisers. Der Bayer hat den Krieg gegen die Böhmen glücklich geführt, jetzt hat er den Hauptanteil an der Zerschmetterung der Freibeuter. Da seht!«
    »Wohl, Ihr Herren«, trommelte Questenberg mit den Hakken, »es bleibt bestehen, daß der Kaiser grollt, sich nicht in die Dinge fügt, und daß er den Engländer Digby beschenkt hat, der den Frieden zwischen Habsburg und dem Pfälzer vermitteln sollte. Das gefährdet das Reich.«
    Lamormain: »Soll dies hier ein Gericht sein über des Römischen Kaisers Majestät?«
    Stralendorf, der Vizekanzler, schlug die Hände zusammen. Was seien das für bittere Worte. Die beiden Obersten lachten, zuckten mit den Achseln, drehten den Rücken. Questenberg hielt fest: sie hätten hier Lamormain wie ein Zeichen des Himmels, er solle

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