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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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vermöchte, daß er den Kaiser beeinflussen würde zu einer veränderten Haltung gegen die notwendigen Ereignisse, zu einer Mitregierung des Erzherzogs Leopold.
    »Wenn dies alles nun nicht meine Meinung, meine Überzeugung, mein Wunsch ist – was, glauben meine Herren, wird der Weltenrichter Jesus beim Letzten Gericht, wenn die Posaune ruft, urteilen über diese Tat: rechts meine Pflicht und links in der Waage die Umstände? Diese Pferde, Musketen, Spieße gegen mich?« »Ich glaube«, dröhnte Questenberg, »gegen so viele Soldaten zu erliegen macht dem tapfersten Krieger keine Unehre. Was vermeinen die Herren? Wir werden nicht Weltenrichter spielen, aber es ist so.«
    Harrach lächelte verbindlich, aufdringlich vertraut in einer Weise gegen ihn, die den Priester tief reizte: »So denke ich, daß darüber der Lehrer der Gesellschaft Jesu sich am besten äußern wird, auch gegen unsern Heiland. Wir sind unwürdige schlechte Menschen, werden ihm nicht in sein Handwerk pfuschen. Wir können schließlich nichts als unsere Bosheit erkennen mit Schmerz, mit Reue und können nicht aus unsrer Rolle fahren.« Der hagere Oberst, mit dem starren Blick auf den Priester, schloß: »Und letztlich sind wir Christen und getrösten uns, daß Jesus sein heiliges Blut um unserer Sünden willen, die er auf sich nahm, vergossen hat.«
    Lamormain horchte auf das ängstliche Geflüster vor dem Saal; seine innere Ruhe wuchs; er fand sich heiter. Und mitten während einiger Sätze, die er sprach, durchzuckte es ihn: diese Herren glaubten, es ginge hier für ihn auf Tod und Leben, und stellten ihm nichts entgegen als Soldaten, Pferde. Hundert gewappnete Reiter suchen mit ihren Lanzen den schwebenden Geist der heiligen Kirche zu durchbohren! Wehen ihn mit jeder Bewegung höher!
    Er saß ganz still, war traurig wegen der geängstigten Freunde draußen. Mit welchen faden Gesellen saß er in seiner Bibliothek zusammen. Es mußte leicht sein, mit ihnen zu herrschen. Er neckte sie, ohne daß sie es merkten: er hätte keine Kompetenz, müsse erst seinen Vorgesetzten, den General des Ordens in Rom, befragen. Sie wurden wütend, häuften leicht widerlegbare Gegeneinwände. Dann berieten sie, im Ernst. Schließlich hatten sie bei sich eine Papierrolle, die sie ihm zum Lesen, Unterschreiben hinschoben; von innerlichem Gelächter war er erschüttert: »Auch das noch.« Sie waren Kinder zum Erbarmen.
    Als er allein stand, prustete er hinter den abrasselnden Wagen: »Wir werden zusammen regieren.« Getümmel von Pferden; der Lärm verhallte.
    Auf dem Gange küßten ihm die Scholaren, die entsetzten älteren Brüder die Hände; das Haus von Wehrufen und Protesten erfüllt. Lamormain hinkte durch das Gewimmel. Vor den frommen Bildern an der Fensterwand erinnerte er sich seines leidenschaftlichen Entschlusses beim Kommen, nicht nachzugeben, der Heiligen gedenk zu sein. Er machte sich scherzend den Vorwurf, zum Märtyrer kein Zeug zu haben.
    Er hatte das Dokument nur flüchtig gelesen. Darin stand, sie wären genötigt, den Kaiser gefangenzunehmen, um eine Störung der Politik durch ihn zu verhindern. Man sehe vorläufig davon ab, wenn der Beichtvater es übernehme, den Kaiser zum Nachgeben zu zwingen. Es wird garantiert: die geheiligte Person des Kaisers bleibt unangetastet. Der Kaiser solle sich – wie sie es nannten – der politischen Notwendigkeit fügen.

    AM DRITTEN Tage trat Eggenberg in die kaiserliche Anticamera, lud den Kaiser zu einer Sitzung von Hofrat und Geheimem Rat. Ferdinand sagte zu, erschien nicht. Tags darauf berichtete Eggenberg neben Gleichgültigem, es seien im Rat lebhafte Stimmen laut geworden, man müsse dem allgemeinen Verlangen Rechnung tragen, das bei den frommen Reichsständen bestünde, und der Freude über den siegreichen Fortschritt des rechten Glaubens, die zerschmetternden Niederlagen der Reichsfeinde öffentlichen geziemenden Ausdruck geben. Auf die Frage Ferdinands, wer diesen Wunsch im Rat vorgetragen hätte, antwortete Eggenberg, es ließe sich bei der freudigen Erregtheit, die nur durch die Abwesenheit des allergnädigsten Herrn getrübt war, nicht sicher sagen, wer zuerst gesprochen hätte; das dringende Verlangen sei allgemein gewesen, mit dem Kaiser in einer Feier sich zu vereinigen. Ferdinand ging herum, riß an seiner goldenen Halskette, lachte heiser; er wollte wissen, wer damit angefangen hätte. Und dieser klägliche gequälte Blick aus den schwarz umrahmten Augen jammerte den grauen Hofmann, erschreckte ihn

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