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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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mit meinem Beichtkinde um die Gnade unseres Heilands und seiner Mutter beten. Wie gebt Ihr Euch Euren Gedanken hin.«
    »Bis Ferdinand gesichert ist, mögen sie sich gedulden. Ich verspreche auch stillzuhalten bis dahin. Man möge mich nicht zum Äußersten treiben. Ich habe es nicht verdient um sie. Ich will Euch sagen, Pater, was es ist. Ich habe den Stolz dieser Männer hier an meinem Hofe und anderswo bis zum Höchsten getrieben, so daß ich nichts mehr bin. Man macht sich Menschen nicht zu Gehilfen und nicht ergeben, wenn man sie beschenkt, wie ich es getan habe; man reizt sie gegen sich auf. Manche von ihnen, ich weiß es, haben öfter lose wackelige Köpfe gehabt, so waren ihre Taten, nicht nur ihre Gesinnungen; ich habe manchen gesehen; vieles wurde mir hintertragen. Ich habe geschwiegen, ich habe sie gebraucht. So habe ich sie geehrt, wie mich niemals etwas geehrt hat. Ich habe mir jeden echten Dank, jeden Lobspruch und Blicklein erringen müssen, ich habe danach kriechen müssen. Aber das ist Menschenart. Man hat mir abgewunden, was ich nie hergeben konnte, ja laßt meine Hand, Pater, man hat es getan. Ich brauch’ meine Hand, um es vor Euch zu beschwören. Man hat mich hier sitzen lassen in diesem Erkerchen, wo ich keinem schaden kann, und gibt mir zu essen und zu trinken; man nimmt mir gar nichts weg, um keinen Argwohn zu erregen bei den Leuten draußen, den Ständen, den Edlen, den Bürgern und was weiter weg ist. Man hat mich aus Bequemlichkeit bei Reich und Regierung gelassen und möcht’ es so weiter treiben. Man wird erbost sein, wenn ich gehe. Ich jammere nicht, mein Mißgeschick ist es; mir wurde nicht mehr verliehen. Aber diese Mauer, die jetzt über meine Schultern fällt, die ich – meine Schande spreche ich aus – selbst habe aufrichten helfen mit meinen Händen, das tut zuviel an mir. Sagt, Ehrwürden, den Herren, den Siegern über Mansfeld und über mich, sie möchten etwas an sich halten.«
    »Ich sage nichts, ich sage es nicht, Majestät.«
    »Ehrwürden, Pater, an wen soll ich mich wenden. Ich kann sie nicht selber bitten. Ihr seid mir vom Heiligen Vater gegeben zu meinem Beistand. Ihr seid meine Hilfe. Tut mir ein Liebes an.«

    DURCH DEN Wind und die graue Nässe schwankte die schwere massige Gestalt des Mannes unter dem viereckigen Hut. Der Regen peitschte die Pflastersteine vor der orgeldurchtosten Augustinerkapelle glatt, in den Gäßchen tat sich ein Morast auf, Rinnsale fluteten aus den Ställen und Schweinekoben. Der alte Jesuitenpater hob und senkte sich im Nebel, hinkend mit dem rechten Bein, er tauchte ungebeugt aus den überschüttenden Wassermassen auf, drang wie ein Keil durch das erbitterte Geprassel vorwärts. Es war schon Abend, die Plätze und Straßen leer; aus den Tanzhäusern scholl die erste Lautenmusik, sie zitterte durch die dicke Luft aus unbestimmter Richtung, suchte wie das Zünglein eines blinden Kätzchens herum. Das Efeugeranke wurde von den überstehenden Balkons abgerissen, hing aufflatternd, gesunken wie ein verwilderter Bart über die Straßen, in den sich vorbeisausende Sänften verfingen, vor dem Pferde sich aufstellten.
    Das steilgieblige Haus des Grafen Stralendorf. Die Vorhalle abgeplattet, wie niedergedrückt von dem Wetter. Fackeln, in Eisenringe gestoßen, brannten im Flur. Vor der Wendeltreppe hielten zwei Pikeniere der Stadtgarde den ungestüm eindringenden triefenden Schwarzhut zurück; er mußte finster warten, bis hinter zwei Kerzenträgern der dürre hohe Stralendorf hustend und augenzwinkernd die Stufen herunterkam und, von dem herrischen Priester angerufen, die Soldaten scheltend zur Seite treten ließ. In einer winzigen Treppenkammer riß sich der Pater Mantel und Hut ab, klatschte sie an den Boden; in dem dicken Schafspelz des Grafen und einer polnischen Kappe stieg er hinter einem hochschäftigen Pikenier den letzten Treppenabsatz hoch. Sie tauchten auf in einem violetten ganz leeren Vorsaal, der von der Fackel des Soldaten mit ungeheuren Schatten und trübem Licht belebt wurde. Grauweich war der Teppich, der den ganzen länglichen Saal auslegte – der Söldner stand hinter dem Pater auf der Schwelle –, und vor den Füßen des kaiserlichen Beichtvaters legte sich furchtbar der Schatten schwarz hin an den Boden, kletterte an der getünchten rankenbemalten Gegenwand hoch, wackelte umbrechend von der Decke herunter mit geschwollenem Kopf. Die Decke kam niedrig herab mit ihren schweren Balken; die Fensterwand war völlig mit gerafften

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