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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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zurollen ließen. War das Gebräu in der Tat erlesen, das aufgedeckte Geheimnis absonderlich, so konnte es dem gewandten gelehrten Entdecker so bald an nichts fehlen; er hatte sich legitimiert für den Zutritt zum kursächsischen Hof; der Merseburger Bierkönig, wie Johann Georg sich gern nennen ließ, mit Stolz – wenngleich die Leipziger Studenten ihn damit zu verspotten glaubten –, empfing ihn feierlich, dankbar und ehrend, wie es sich gebührte gegen jemand, der dem kursächsischen Leib wohlgetan hatte. Würdig gemächlich und etwas schwach im Kopfe war Johann Georg; er hatte den Blick für das Wesentliche im Leben nicht verloren, eine liebevolle Kenntnis der menschlichen Schwächen war ihm eigen. Für die Details des Daseins, auch des Amtsverkehrs, hatte er sich den Kaspar von Schönberg engagiert, den er noch, damit er nicht gar zu üppig werde, mit dem Schwergewicht einiger seiner edlen Vertrauensleute behängte; mit Gott, im Vertrauen auf die ererbte pfaffenfeindliche Religion konnte er so stattlich den Regierungswagen kutschieren. Kopfschüttelnd hatte er den Lauf des Pfälzers Friedrich mit angesehen; der Mann hatte den rechten Glauben, auch die rechte Frau, ein schönes fettes englisches Weib, nach dem sich ein armer Deutscher die Finger lecken konnte. Aber wohin konnte es führen, sagte Johann Georg in versunkenen Momenten, wenn einer dies Weib in einem Schiff den Rhein und Neckar hinauf nach Heidelberg geleite, in einem Schiff, das Silberkammern Schlafkammern Ritterstuben Badekammern habe. Und die Kammern ließe man sich noch gefallen, und sie seien würdig eines solchen geborenen Kurfürsten, auch Königs, und eines so leckeren Frauchens; aber woher das Geld, wofern es nicht er, sondern der König von England, Jakob der Griesgram, der Dickkopf hat? Ja, was dann; so sei alles Glück und Hoffnung sogleich auf Sand gebaut. Ein deutscher Fürst – ja, es sei so, und so mußte es kommen, und so hätte es kommen müssen mit allen Folgen für ihn, für den Kaiser Ferdinand, für das Heilige Römische Reich, für den evangelischen Glauben; das Weitere sei auch alles so zu erwarten. Das war die Direktive für den »kursächsischen Aktuar und das Spitzmäuschen«, wie er den Schönberg huldvoll benannte, und auch bei dem neuen Entschluß, die Pfälzer Angelegenheit durch kurfürstliches Kollegialdekret zu beenden.
    Es war Spätherbst; in einem Saale seiner Kunstkammer saß Johann Georg auf einem Rollstuhl, mit blauer Nase, frierend in seinem wattierten Wams, seinem Rock aus Wolfspelz, über beide Ohren die Pelzkappe, unter einem dicken Hut; mit Sämischlederhandschuhen, über die er ungeheure Wolfshandschuhe gestülpt hatte; die Beine in Lammfell geschlagen. Über das Wams floß ihm ein breiter gewellter grauer Bart, grün die Mundstoppeln. Den herumspintisierenden Kaspar von Schönberg, dieses arrogante dienernde Gerüst, verabschiedete er kurzerhand. Dann betrachtete er wohlwollend seinen asthmatischen Kammerdiener, den Lebzelter, der vor einem Pult mit dem aufgeschlagenen prächtig illuminierten eichstättischen Tulpenbuch stand und im Stehen sich Notizen machte. Denn Lebzelter notierte alles, was er sah, was um ihn geschah, seit zwei Jahrzehnten, aus Ordnung, aus Reinlichkeit, damit man nicht wie ein Tier ohne Gedächtnis herumlaufe. »Was hältst du von dem Handel, Lebzelter?« Eifrig sprang der herbei, hob abwehrend beide Hände, riß ehrerbietig die Augen auf, bis unter die lockige graue Perücke:
    »Kurfürstliche Gnaden: nicht anrühren! Geheimer Rat Kaspar denkt im Nu, im Hui; Lebzelter – Eure Gnaden wissen.«
    »Woran liegt’s, Lebzelter? Was werden wir machen?«
    »Nicht anrühren, Eure kurfürstliche Gnaden. Nicht heute, nicht morgen. Das Natürliche braucht seine Zeit. Ich werde notieren.«
    »Übermorgen, Lebzelter. Und laß mir den Kaspar nicht vor.«
    Nach zwei Tagen staffierte der Diener seinen Herrn sorgsam aus, und als er ihn recht vor die Schränke gehoben hatte, den Bierhumpen zur Seite gestellt, daneben ein Körbchen Salzbretzel, machte er rasch seinen Eintrag, stäubte sich ab, verbeugte sich zum Vortrag. Aber Johann Georg bemerkte schon nach dem ersten tiefen Schluck, es müßte erst festgestellt werden, ob sie auch übereinstimmten in der Hauptsache.
    Die Hauptsache sei – Lebzelter erhielt das Wort –, den beiden protestierenden Kurfürsten samt allen Ständen, die sie im Kolleg vertreten, solle das Fell über die Ohren gezogen werden, von kaiserlichen Händen. Gerührt reichte

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