Wallenstein (German Edition)
vorstellen, man muß sich ihn vorstellen, den Bayern. – Laßt mich einmal sehen; die Fensterläden geschlossen, einer auf dem Flur?«
Als er bebend auf und ab schritt auf dem Längsläufer, öffnete Trautmannsdorf die Augen: »Ihr seht jetzt: der Wittelsbacher verachtet uns. Uns alle, samt unserm allergnädigsten Herrn. Dreizehn Millionen: da hat er gelacht und seinen Vater gefragt: ›Wollen sehen, was das Bettelpack antworten wird.‹ Römischer Kaiser und Herzog in Bayern. Oh, wir hätten ihm wohl doch beistehen müssen, damals, dem Kaiser, als die Exekution gegen die Oberpfalz begann. Wir hätten es müssen, Ehrwürden. Der Bayer suchte Macht gegen uns. Es wäre nicht so weit gekommen mit dem Kaiser. Jetzt wagt er dies; er weiß, warum der Kaiser beiseite steht und warum der Erzherzog Leopold am Hofe lebt.«
»Liebwerter Freund, wir hätten es müssen? Es hätte auf ihn keinen Eindruck gemacht, er kennt uns beinah besser als wir uns. Es war schon alles gut; wir haben nichts verfehlt. Er weiß, wie wir ihn brauchen.«
»So laßt es nun sein, ihm den Kurhut zu erschweren. So nützt es doch nichts.«
Der Abt hielt, noch im Schreiten, die Hände vor das Gesicht und weinte fast: »Nehmt mir nicht allen Trost. Ich weiß ja, ich will nicht denken. Darum muß ich ihm nicht Vorschub leisten. Ich entlarve seine Schliche. Ich will ihm diese Stunde nie vergessen, mit dem Brieflein um dreizehn Millionen. Seht, mir habe ich’s in der Brust geschworen, in Treue um unsern allergnädigsten Herrn, dem ich nichts von der Botschaft verriet: die dreizehn Millionen soll er uns bezahlen; er soll denken: nie kann ich genugsam Geld aufbieten, um mir Habsburg wieder freund zu machen, und ich kann’s nie. Dies will ich ihm nicht ersparen.«
»Ihr habt die Siegesfeier für gut gehalten.«
»Es soll die letzte gewesen sein, Trautmannsdorf.«
»Dies war’s, was Ihr mir so dringlich vorgestern mitteilen wolltet; ich war verreist. Und was habt Ihr erreicht mit Eurem Beschluß von vorhin?«
»Einen Wutanfall Maximilians, ich weiß. Weiter nichts. Nur soll er uns nicht für Narren halten, für solche Narren, wie ich es beispielsweise bis jetzt war.«
»Wißt Ihr, Ehrwürden«, begann nach einer Pause der unbewegliche Graf, »einen Schritt könnten wir gleich weiter gehen.«
»Und?«
»Wir könnten versuchen, den Erzherzog Leopold –«
»In diesem Augenblick dachte ich daran. Wir müssen es an Lamormain bringen. Ich weiß freilich noch nicht, wie er von meinem ersten Schritt denkt.«
»Ist er bayrisch gesinnt?«
»Nicht so und nicht kaiserisch. Er ist von der Gesellschaft Jesu und gehorcht dem Papst.«
»Vielleicht also bayrisch. Er wird, wofern Ihr ihm das Brieflein zeigt, seine Stellung ändern. Er ist tatendurstig, das Brieflein wird ihm als Angriff auf seine Macht vorkommen.«
»Der Bayer soll seine Freude haben an dem Kurfürsten«, drohte der Abt, schwang sich auf die Truhe.
»Mich müßt Ihr beurlauben, und ich kann jetzt nicht Euer Gast sein, Ehrwürden. Ich war nicht in meinem Quartier von der Reise. Und ich möchte dann mit einigen Herren, später mit Euch, beraten, wann wir zu unserem allergnädigsten Herrn hinausfahren, um Audienz zu erbitten. Ich denke wie Ihr: wir sind es ihm schuldig – wenn er auch nicht viel Freude daran haben wird.«
»Lebt wohl, liebwerter Freund.«
Trautmannsdorf flüsterte schalkhaft: »Ich möchte auch gleich zum Herrn Leuker; ihn trösten, beruhigen.«
»Tut es«, lächelte gezwungen der immer wieder zitternde Abt auf der Schwelle, in dem Flur nach rechts und links blikkend, als wenn er Gespenster erwarte.
IN SACHSEN, in Dresden, wie in dem brandenburgischen Berlin hielt man sich die Seiten vor Lachen über den neuen Wiener Vorschlag, die Pfälzer Angelegenheit gänzlich durch ein Dekret des gesamten Kurfürstenkollegs aus der Welt zu schaffen. Johann Georg, dem Kurfürsten, behagte die neue Kunde ebenso kostbar wie seinem Ratspräsidenten, dem Kaspar von Schönberg; er ließ für einige Tage seine Hauptsorge außer acht, die Aufsicht und Reglementierung der Braugesellschaften, das Herumschnüffeln nach verborgenen Braufinessen. Wie andere Hoheiten Gesandte in fremden Ländern, so hatte er geschmackskundige Vertrauensleute in größeren Flecken seines Landes, vereinzelte auch in den berühmten Hansestädten, die für ihn herumspionierten und ihm berichteten, auch die feinsten Tönnchen, das sorgfältigste Gebräu versiegelt und plombiert unter Geheimchiffren durch Kuriere
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