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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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über den Pfälzer und seinen Anhang, dadurch schaffe er sich keinen Beweistitel für seine Ansprüche auf die Kur, – da nämlich näher geboren der alte Pfalzneuburger sei. Würde man nur nach Siegen und ähnlichem äußerem Geschehen urteilen und entscheiden, barbarischen Bräuchen, so würde die ganze Staatenordnung Europas und besonders des Heiligen Reiches ins Wanken kommen. Sie sprachen ganz, als sei die Sache schon für sie entschieden.
    Leuker in heller Wut lächelte, bat um Entschuldigung, man möchte nichts mißverstehen, drehte sich ein paarmal wie ein Verbrecher im Kreise, saß in seinem Wagen.
    Drin brauste die Unterhaltung. Einige faßten die Entscheidung angesichts des bekannten Ansturms Bayerns auf den Kaiser als eine entschlossene Absage auf; Harrach, grüngelb von einem noch nicht abgeklungenen Gallensteinanfall, an zwei Stöcken vorsichtig sich schiebend, ließ vor Vergnügen seine Augen blitzen. Questenberg zog den weisen, gelinden Fürsten Eggenberg »Hans Ulrich, du geliebter« an sich, pfeifend: »Der neue Kurs« und »Habsburg zur Attacke!« Man sang das Loblied Leopolds. Eggenberg ließ sich rechts und links Glück wünschen. Seinen dicken Freund Questenberg zog er aber kopfschüttelnd auf eine ganz leere Polsterbank; zeigte auf die erregt diskutierenden Gruppen, sah auf seine Füße; er blieb dabei, der Vorfall sei ihm unverständlich; es sei ein Hieb, der für den Abt Anton doch zu stark sei.
    Völlig starr saß Anton eine halbe Stunde später vor seinem Gast, dem dröhnenden drohenden verzweifelten Doktor Jesaias Leuker, der ihn nicht zu Worte kommen ließ, fast tätlich auf ihn eindrang. Kremsmünster wurde etwas erleichtert durch das Eintreten Trautmannsdorfs, der ironisch höflich den Bayern nach dessen zerstreuter Verneigung bat, sich nicht stören zu lassen, sich selbst auf dem gewohnten Hocker niederließ und sich über den Handrücken blies. Als der bayrische, französisch gespickte Schwall zu ebben anfing, begann Anton mit Interjektionen vorzugehen, um das Versiegen zu beschleunigen. Und so mit »Nein«, »Nicht doch«, »Mein gestrenger viellieber Herr«, »So bitte ich« gelang es ihm, sukzessive Raum für ganze Sätze zu gewinnen, schließlich sich vor dem matten, hilflos keuchenden Bayern zu bewegen, selbst freilich schon mehr erregt, als er vorhatte. Also er staune, gestand er, er könne sich keines anderen Ausdrucks bedienen, er sei völlig seines Begriffsvermögens beraubt. Er trage eine Rede, eine Entscheidung vor, die so aus dem Wesen der Sache stamme, wie überhaupt ein Urteil aus dem Körper eines Gerichts. Und nachdem dies geschehen, spontan ungereizt unhofiert und ungescholten, schmähe man ihn. Ja, sei er Präsident der kaiserlichen Hofkammer oder sei er es nicht? Sei er Richter oder nicht?
    »Lächerlich«, brüllte Leuker wieder, »lästerlich und absurd. Was hat den Herrn veranlaßt, mich zu schockieren, wo ihm nichts von mir widerfahren ist?«
    »Weiß Gott, nichts, Herr Geheimrat. Ich bezeug’s Euch gern. Ich bin jedoch nicht in bayrischer Dependance – noch einmal gesagt –, um eines Zeichens zum Redebeginn von Euch zu bedürfen. Sprecht Ihr, Herr Trautmannsdorf, hab’ ich mir Unziemliches erlaubt, die Grenzen meiner Kompetenz überschritten? Ihr mögt es hören, Herr Leuker.«
    Trautmannsdorf brauchte lange, bis er seine vollen Bakken ausgeblasen hatte, dann lächelte er diskret: »Ich weiß nicht.«
    »Seht!« trotzte Leuker.
    »Nämlich ich weiß nicht, ob Ehrwürden entsprechend mit der Kaiserlichen Majestät oder mit seinem hohen Bruder beraten haben.«
    »Erzherzog Leopolds Hoheit hat auf kaiserliches Mandat das geschehene Verfahren gebilligt und befohlen.«
    Trautmannsdorf wandte sich armhebend an Leuker: »So ist ja alles Klagen und Anklagen überflüssig. Ihr erschießt einen Sperling und meint den Falken.«
    »Es ist nicht denkbar«, jammerte Leuker, dem es vor dem Bericht an Maximilian graute, »nichts ist geschehen, was solchen Schritt gegen Bayern rechtfertigen könnte. Wir haben kaiserliche Majestät und Euch nicht herausgefordert. Ich muß protestieren gegen den Erzherzog.«
    »Er wohnt nicht hier«, lächelte Trautmannsdorf.
    Nun schwiegen sie, die beiden Kaiserlichen ruhig abwartend, der Bayer ratlos.
    Der Abt fing wieder an, versöhnlich: »Übrigens, ohne mich in bayrische Politik mischen zu wollen, deren Methoden gewiß besonders studiert werden müssen: ich sehe nicht, welchen Anlaß Ihr habt, mit mir unzufrieden zu sein. Es geht Eurer

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