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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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sich zu verköstigen. Die neugläubigen Kirchen waren vernagelt; und damit jedem die Lust an ihnen verginge, schleppten die Fuhrleute morgens mit dem Gemüllwagen den Unrat aus den Senkgruben bei den Häusern fort, stülpten ihn vor die Kirchtüren. Die Bauern, die Holz vom Amt bekommen wollten, brauchten keine Feldsteine zum Straßenpflastern mehr hereinzuschleppen; sie hatten genug an denen, die sie vor den Ketzerhäusern ausreißen durften. Wo ein Kehrichthaufen in der Gosse dampfte, wachte in der Nähe ein bestellter Spitzel, ein Dragoner hinter einem Torbogen, daß er nicht beseitigt wurde ohne besondere Erlaubnis. Dann zogen die Soldatenweiber mit Kind Kegel Raub und Plunder über die geräumigen Dielen, grell juchzend über die Parketts der Innungsstuben; in den Kammern der gelehrten Männer krähten die auf dem Feld, in Ställen geborenen Bastarde, ritten auf den bemalten Folianten. Man durfte sie nicht verjagen; die viehischen Gottesleugner durften sich freuen, daß sich ehrbare Leute bei ihnen bequemten. Dröhnend kletterten die Dragoner durch die verschmutzten Zimmer, über die Stiegen zu den kellergepferchten Besitzern, Teppiche unter dem Arm für ihre Wolfshunde, spektakelten nach Heu Stroh für ihre Pferde. Was nicht zu beschaffen war, mußten die Besitzer kaufen auf den Nachbardörfern; manche kamen nicht wieder von der Wanderschaft. Andere, wenn der Weinkeller geleert, die gedrechselten Holzstühle zerbrochen, die schönen ererbten Schränke zerkratzt, Salzfässer Leuchter und Lichtscheren zerstoßen waren, faßten sich ein Herz. Inmitten des wüsten, auf Faulbett Bankpolster Bank und Boden geworfenen grölenden Gesindels pflanzten sie das heimlich gekaufte Marienbildchen auf, auf einen Tisch, einen Wandbort, ein Schränkchen, fielen, den Jammer bezwingend, davor hin. Von seinem Spuk war bald darauf das Haus befreit, die toten Hunde und Hähne auf die Straße gekehrt, der Boden wieder glatt. Nur die Marienbildchen Rosenkranzbehänge waren in alle Räume eingezogen. Wie Knechte schlichen die Besitzer mit fremden Mienen um sie herum, Haus und Hof hatten sie wieder, waren dennoch daraus vertrieben.
    Büttel Profosse Pikeniere und Geistliche wanderten von Gasse zu Gasse, Dorf zu Dorf. Sie gingen in die Schlafkammern, zogen die Decken von den Betten, denn viele Ketzer legten sich in diesen Wochen zu Bett, um den Fragen zu entgehen, die jedem entgegendröhnten, der den Kommissionen die Türe öffnete: »Wer ist im Haus? Und Ihr, seid Ihr katholisch geboren, geworden, versprecht Ihr es zu werden oder nicht?«
    Über die Betten der Greise, Kranken im Tschaslauer Spittel beugte sich lederknarrend der Büttel. »Ich bin krank«, wimmerte einer. »Ob Ihr lutherisch, calvinisch, utraquistisch, katholisch seid?« »Ich bin krank. Mir fehlt der Atem, die Beine sind mir vollgelaufen mit dem Wasser, ich ersticke. Geht weg.« Der Jesuit neben dem Büttel, grauhaarig kalt, geistlicher Koadjutor, den viereckigen Hut zwischen den Händen, die Achsel zuckend: »Die Antwort ist schamloser, als Euch guttäte. Es ist ihm gleich, ob katholisch oder ketzerisch. Er pocht auf seine sogenannte Krankheit. Dieser Mensch ist schlimm.« »Geht weg«, schrie der graublasse Schädel, der da lag. »Bald«, sagten die Soldaten, warfen sich die Piken in den linken Arm, zogen dem Menschen Hosen und Wams über, stießen ihn über den Hof vor das Tor. Da keuchte, röchelte er an der Schweineschwemme.
    Einer saß aufrecht auf seinem Lager; der Spittelmeister, dickbäuchig schlüsselklappernd, benannte sein Leiden – merkurialische Zeichen wie krampfhaftes Lachen, Zungenbrand, Pusteln in den Augen –, er lallte sonderbar bei der Annäherung der bewaffneten Gruppe: »Habe von Euch gehört, Ihr Herren. Hab’ Euch erwartet. Was wollt Ihr mich fragen, Pater.« »Nach deinem Bekenntnis, armer Freund, und was du von Gott, der Jungfrau und den Heiligen denkst.« »Von Gott, der Jungfrau und den Heiligen. Das ist viel auf einmal für mich. Aber Ihr habt recht, mir liegt nichts so am Herzen als das Bekenntnis. Gott ist Gott. Die Jungfrau hat unsern wahrhaften Erlöser geboren. Und ein Heiliger bin ich.« Er lachte heftig, erschreckend rauh und dann wieder ganz tonlos, versuchte zu kreischen, vor seine Augenhöhlen traten wässerige, rötlich gefärbte Tropfen. Die Männer bekreuzigten sich. »Was sprichst du armer Mensch?« »Und woran zweifelst du ärmerer Mensch?« schrie der zornig wieder, zitterte mit dem Kopf, »bin ich nicht ein Heiliger? Hast

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