Wallenstein (German Edition)
Tischholz knallend: »Nun wir geschmaust pokuliert gerülpst gespuckt gesudelt haben, ist es Zeit, die Rechnung zu bezahlen. Also bezahlt, Herr Wirt.« Und seine Dragoner schmetterten wiehernd aufstehend ihre Handbeile vor sich in die Tischplatten, zwischen ihre Beine in die Schemel und Bänke, über sich in die Balken der Decke: »Zeigt her Kreide und Schreibtafel, Herr, damit ich weiß, wie hoch ich mich zu bedanken habe, möcht’ nicht als Lump und Fuchsschwänzer verschrien sein.« Er meinte den Beichtzettel. Holte der Wirt das Papier, so schaute der Zahlmeister drohend seinen Mann an, tat falsch höflich, keifte böse nach den Pferden. Wo er einen hussitisch Gesinnten, ein Böhmisch Brüderlein, Utraquisten, Calvinisten traf, fiel er ihm um den Hals, das Valetetrinken nahm kein Ende: »Herzbruder, wir lassen dich nicht, schänd’ uns Gottes Element. Wir halten zu dir, sollst nicht verderben.« Fünf, zehn seiner Leute quartierten sich ein, waren nicht zu vertreiben. Der tolle krummbeinige Zahlmeister sprach im Durchritt alle Tage vor: »Haltet gut Wacht, daß ihm nichts passiert. Er verdient es. Tot schind’ ich euch, so ihm etwas widerfährt.« Ausschüttete er sein Lachen, wenn sich einer beschwerte, demütig um Erleichterung bat: »Sieh mir einer den Aberweisen an! Ja, weiß der Hundsfott nicht, was ihm bevorsteht, wenn wir ihn lassen? Was ihm droht? Daß der Satan ihn ankrallt, ihn mit Leib und Leben, Haut und Haaren verschluckt. Weißt du, wer der Teufel ist?«
»Das ist der Böse selber.« »Recht, da stimmen wir Christen mit euch überein.« »Brauch’ keine Wache deshalb. Schütz’ mich schon selbst.« »Hast du es vor, bereitest ihm vielleicht das Bett? Setzest lieber ihm deine Schinken und Hühner vor als meinen frommen Soldaten? Willst gar eine Mantelfahrt mit ihm machen? Ich steh’ für dich ein vor Gott und der königlichen Statthalterei, muß mit meiner Seligkeit für dich bürgen. Eher lass’ ich dir Daumschrauben anlegen, ehe ich ein einziges meiner frommen Kinder wegschicke.« »Wir verhungern bald, Herr!« Wolfsstirn, der gedrungene kleine O-beinige, blaurot die Eisenkappe aus der Hand werfend, schwer in seinem Panzer atmend, zu seinen Leuten: »Habt ihr zu essen?« Sie schwiegen, schmunzelten. Er drohend, gefährlich: »Daß ihr nehmt, was ihr findet, daß ihr euch sättigt und Kraft gewinnt, daß ihr nicht die letzte Ziege und Kuh schont. Weh euch, wenn ich euch schlapp finde.« Er hatte gerüstete Heerwagen mit zahlreichen Fuhrknechten Reiterjungen. Mit einer feinen Waage fuhr er, zwei Trommler und Trompeter voraus, durch die Stadt. Wo Einquartierung lag, wog er die Söldner mit dem sonderbaren verbogenen Instrument; wenn einer abgenommen hatte oder ihm dünn erschien, kassierte er die Taler von dem Hausherrn ein, ließ ihm fünfzig Hiebe versetzen von seinem Büttel, dem Söldner selbst halb soviel. Den Beichtzettel, der ihm eines Tages vorgezeigt wurde, salutierte er: »Lieber, juchhei, bist nun ein gottgefälliger rechter Christ. Mein Werk ist am Ziel und Ende bei dir. Wo du dein Heidentum hinter dir hast, wirst du mich verstehen und mir danken. Nur satt fressen konnten sich meine armen Kinder bei dir, nicht besser wie die Säue im Stall waren sie eingesperrt bei dir. Pfui über die Schwelle der Unzucht. Und nun präsentierst du den Beichtzettel.« Er betete mit dem Herrn und seiner Familie, auch mit den Söldnern gemeinsam, fiel hin im Harnisch, war befriedigt.
In den Rentämtern Küstereien Stuben der Amtleute Vögte Kellerschultheiße Räte Bürgermeister lagen Kornetts Spielleute Korporale mit wallenden Hüten, spähten zum Fenster hinaus. Regimentsschultheiß Gerichtsweibel thronten im Rathaussaal; wo einer kam sich zu beklagen, nahm der boshafte Schreiber ein Protokoll auf unter spitzfindigem Gefrage; dann hieß es danken, zahlen für die Klage, verlautete weiter nichts. Die Gassen der Neugläubigen versperrten sie mit ihren Troßwagen, quer lagen die schwerrädrigen Gestelle auf den Pflastersteinen oder im Sumpf, konnte keiner herüber von rechts nach links; wer die Gasse entlang wollte, stand vor hölzernen Barrikaden. Ganze Häuserreihen waren von den steinbeladenen Ungetümen gesperrt. Männer und Frauen saßen in den dunklen Höhlen der Keller und Erdgeschosse, oben goß und blies es hinein, das Stroh war von den Schindeldächern mit Haken für die Pferde gezogen. Nur bei Nacht trauten sie sich zum Fenster hinaus, zwischen die Räder, heimlich unter die Wagenbalken, um
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