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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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du nicht vor, mich zu martern meines Glaubens wegen?« »Du bist also kein Katholik?« Er schrillte, streckte fuchtelnd die Arme aus, man wich um ihn: »Ein Heiliger! Ihr seid Bären und Füchse. Betet mich an!« Sie hoben ihn auf an den zerrenden Händen und Füßen. »Faßt mich nicht an, ich verfluche euch bei allen Höllenteufeln.« »Seht, ob er nicht Zaubermittel unter der Achsel eingenäht hat. Ihr müßt ihn rasieren. Wann warst du zur Teufelssynagoge?« »Folterer. Betet an.« »Man wird eine Probe mit ihm vornehmen müssen.«
    Schlurrend stampfend murmelnd in die Stube der Kindsbetterinnen. Ein fieberheißes junges Weib rief jubelnd an der Wand zu ihnen herüber: »Zu mir! Fragt mich zuerst! Ich weiß schon, was Ihr wollt!« Ein winziges, kupferrotes Säuglingsköpfchen sah unter ihrem rechten Arm hervor. »So antworte.« Gläubig weite feuchte Augen blickten den kopfsenkenden Jesuiten an, innig sagte sie, nach seiner hängenden Hand mit ihrer schwitzenden Linken greifend: »Ich war nicht katholisch, aber ich will es werden, gleich, bald, kommt recht bald zu mir. Und dann, dann werde ich gesund, nicht wahr, Ihr könnt das machen. Und dann kann ich mein Kindchen behalten, nicht wahr?« »Wir schicken noch heute zu dir.« »Ich werde gesund werden?« »Bete, bereue deine Sünden.« »Und bleibe ich leben? Seht doch mein Kindchen.« »Bereue deine Sünden: Der Gnadenschatz der Kirche ist groß.« Sie, eine Sekunde still, warf sich schreiend zurück, hob den schlafenden Säugling vor ihr verzerrtes Gesicht, so daß die kleinen Händchen über ihrem schluchzenden Mund hingen, das Bett zitterte unter den Erschütterungen. Als die Kommission an die Türe ging, rief sie aus ihrem Kissen: »Herr, Ihr vergeßt mich nicht. Ihr schickt zu mir.«
    In Trautenau bauten die Soldaten hinter dem Tanzhaus einen rohen Stall, dahinein sperrten sie eine große Menge starker Doggen und Vorstehhunde, die sie in Bayern aufkauften. In der Stadt verbreitete sich blitzschnell das Gerücht, als das gräßliche Gekläff von Tag zu Tag wuchs, die Dragoner hätten vor, bevor die Kommission käme, Angehörige von Rebellen in den Stall zu jagen. Mit Freuden hörten die Soldaten das, auch die anströmenden Scholastiker und Dominikaner widersprachen nicht. Eines Vormittags, als die Kommission umgegangen war, trieb man eine Anzahl utraquistischer Bürger auf den sogenannten Entenmarkt unweit der katholischen Emmeramskirche. Die Kirchentüren standen weit offen. Als das Orgelspiel begann, der erste Knabengesang hörbar wurde, hieß man einen Trupp von sechs Bürgern, die Hüte abgerissen, auf der Straße nach der Kirche laufen. Sie waren noch nicht zehn Schritt vorwärts gekommen, als aus einer Seitengasse, die in den Markt mündete, plötzlich ein greller Pfiff tönte, kurz darauf Hundegebell Menschenrufe. Im Nu sprangen hinter den fortrasenden sechs Männern, toll sie anfallend, die schäumenden gehetzten Doggen her; die Männer schleuderten sie von Schulter und Nacken ab; die gestürzten Tiere holten sie ein, saßen an ihnen, schlangen sich vorn herum, hingen sich an die Beine, warfen die Männer um. Die, schlagend schreiend, rafften sich hoch, krochen, wurden umgeworfen, rannten weiter, zerfetzte Kleider, blutende Arme, zerkratzte Lippen. Torkelten an die nahe Kirchentreppe, der Schwall der Hunde über sie, dann war eine Treppenstufe erreicht. Stöcke und Riemen der Soldatenreihe fuhren unter die sich verknäulenden Tiere. Dahinter zogen sich die Männer fußgetreten faustgeworfen vierbeinig die Stufen hinauf. Am Weihbecken im weißen Chorhemd standen Priester, sie zu empfangen. Vor die händefaltenden Weißröckigen krochen keuchten die unkenntlichen Entgeisterten; sie spien Blut Schleim, ihre Lungen rasselten, die Augen weiß und rollend. Sie wollten sich blind und bewußtlos an den Priestern vorbei in die dunklen Winkel drücken. Die Geistlichen sprachen sie an, führten sie, vor denen die Menge zischelnd schaudernd zurückwich, vor an eine Bank. Sie ließen alles mit sich tun. In die leisen Worte, die stille Andacht sägten gleichmäßig und ohne Scheu die rasselnden Atemzüge. Schnauben, plötzliches Winseln: »Schlagt mich tot, schlagt mich tot!«, immer wieder unterdrückt von Händen, die sich vor die Münder legten. Wie die Menge sich von den Knien erhob, klatschte einer von den Zerfleischten lang auf den Steinboden, die Arme vorstoßend, den Kopf anhebend, tierisch grölend: »Schlagt mich tot!« Und während die umringenden

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