Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)
an einen Major verkauft wird. Daß Jo und Jennifer es weiterführen. Das ist doch alles besprochen worden. Bevor er hierherkam. Haben sie das alles besprochen? Er glaubt sich da an eine letzte Sitzung bei ihm zu Hause zu erinnern, im Wohnzimmer, sie hatten Pfefferminztee mit Rum getrunken. Ja. Als es ihm schon so schlechtgegangen war, hatten sie sich zusammengesetzt und einen Plan gemacht, was wenn und so weiter. Jo und Jennifer könnten verkaufen. Sie haben die Vollmacht. Sie könnten. Er kneift die Augen zusammen. Er versucht, den hellblauen und den bunten Fleck, links und rechts von seinem Bett, zu fixieren.
59
Während er vor der Haustür auf Romy wartet, die noch den Briefkasten am Gartenzaun ausleert, hat er Stretching-Übungen gemacht. Er bekommt nach dem gemeinsamen morgendlichen Joggen, hier, zwischen Tutzing und Starnberg am See entlang, ab und zu einen Krampf im Oberschenkel. Sein Orthopäde hat ihm da ganz gute Übungen gezeigt. Wenn wie jetzt der Wind vom See zu ihrem Bungalow herüberweht, kann man sich schnell erkälten, so verschwitzt, wie er jetzt da steht.
„Kommst du dann, Schatz?“ ruft er Romy zu.
Bevor sie die Haustür aufsperrt, hat Romy ihm einen Kuß auf die Wange gegeben. Ihr Gesicht ist ganz kalt gewesen. Im Flur ist ihnen Lily um die Beine gestrichen. Er hebt sie am Nacken in die Höhe, hält sie wie ein Baby und sagt: „Na, meine Schöne, hast du mich vermißt, hast du Papa vermißt?“
Romy kleben die Haare in der Stirn. Sie öffnet ihre Trainingsjacke, auf ihrem orangen T-Shirt steht Wir zählen! – warum steht da Wir zählen! ? –, ihre Brüste zeichnen sich darunter ab.
Dieses Bild. Wie Romy so da steht. Irgendwie freut er sich, jetzt endlich ein ganz normales Leben führen zu können, doch noch verheiratet zu sein, wer hätte das gedacht?, vorbei der ganze Streß mit dem Label et cetera.
Romy lächelt ihm zu. Er liebt Romy. Romy liebt ihn.
60
Es ist die Wohnung, in der er zusammen mit Mama in Bukarest gewohnt hat. Er zeigt Wendy die Küche. Wendy hat sich bei ihm eingehängt. Wie damals, bei ihrem letzten gemeinsamen Spaziergang, kurz bevor sie nach Oxford gegangen ist. Nichts hat sich verändert. Der nigerianische Flickenteppich ist noch da, der Tisch mit den abgeschlagenen Beinen, die Tageszeitungen darauf.
Er sagt: „Also, hier habe ich so ungefähr ein halbes Jahr zusammen mit meiner Mutter gewohnt.“
Wendy hört aufmerksam zu. Sie hat Interesse. Er geht zusammen mit Wendy in Regensburg von der Tiefgarage zum Haus von Frau Mayer.
Er sagt: „Frau Mayer ist, wie ich ein Teenager war, meine Gesangslehrerin gewesen.“
Wendy fragt: „Du hast Gesangsunterricht gehabt als Teenager?“
Er sagt: „Ja.“
Wendy sagt: „Toll.“
Sie stehen am Kai in Cairns. Das Meer ist ruhig. Es ist angenehm warm.
Wendy sagt: „Danke für die Reise und die Tage in Sydney. Das war total schön.“
Er klingelt an der Haustür. Wylie öffnet. Er stellt Wylie Wendy vor. „Das ist meine Tochter. Wendy. Sie studiert in Oxford.“
Seema und Uschi warten schon im Wohnzimmer. Sie werden sich zusammen die Mars-Landung ansehen. Wendy hat gesagt, daß sie gerne mitkommen würde. Er klingelt an der Haustür des Hauses, in dem sie in Cham zuletzt gewohnt haben. Eine ältere Frau öffnet.
Sie sagt: „Ich erkenne Sie. Sie sind Costin Wallner. Der mit der Plattenfirma.“
Er sagt: „Ja. Ich bin hier mit meiner Tochter. Sie hat mich gebeten, daß ich ihr einmal zeige, wo ich so herkomme. Sie interessiert sich für mein Leben.“
Die ältere Frau sagt: „Na, Sie haben aber eine tolle Tochter. Und gut sieht sie auch aus. Na, kommen Sie mal rein.“
Sein ehemaliges Kinderzimmer im Keller hat sich eigentlich gar nicht verändert. Da steht noch das Christopher-Bett, der Schrank mit den Comic-Stapeln.
Costin sagt: „Ja. Also richtig lange gewohnt habe ich hier eigentlich nicht, aber im ersten Haus in Cham hat es ungefähr genauso ausgesehen. Ja. Das hier ist mein Zimmer gewesen.“
61
Der linke hellblaue Fleck, der jetzt langsam an Konturen gewinnt, das muß Jo sein. Er spricht wie Jo. Jo ist treu. Der Fleck muß Jo sein. Er hat gerade „Costin“ gesagt. „Es ist ja alles gut“ oder „alles OK“ oder so. Das Summen ist etwas schwächer geworden. Dafür ist das Piepen jetzt wieder zu hören. Dieses hohe C. Regelmäßig. Der bunte Fleck rechts hat ungefähr Wendys Statur. Es wird Wendy sein. Gestern ist sie doch noch gekommen. Ja. Gestern oder vorgestern hat Wendy plötzlich an
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