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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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deiner aber bedarf ich, um zu leben.«
    Myrrah war in lautes Schluchzen ausgebrochen.
    »Gehe! verlasse mich,« seufzte sie, »wenn du Spiel mit mir triebst, würdest du mich töten. Du stürzest mich, ich fühle es, ins Verderben. Mir wäre besser, ich hätte dich nie gesehen, oder ich stürbe gleich auf der Stelle, denn ich weiß nicht, was ich ohne dich beginnen soll, und mit dir leben darf ich nimmermehr.«
    Der junge Mann versuchte die Weinende zu beruhigen, er gab ihr die zärtlichsten Namen, versicherte sie, daß er jeden Abend in ihr Haus schleichen wolle, daß er ihr einen ergebenen Diener täglich senden wolle, ihr Nahrung zu bringen, sie aber wehrte heftig alle seine Liebkosungen ab, suchte ihr tränenüberströmtes Gesicht zu verbergen und rief ein über das andere Mal: »Gehe! Oh, hätte ich dir nicht dein Leben gerettet, hätten sie dich und mich getötet.«
    Nach vielen vergeblichen Versuchen, sich ihr verständlich zu machen, stand Menes auf.
    »Du willst, daß ich gehe! Gut denn, ich gehorche dir,« sprach er mit schmerzlichem Trotz. »So will ich dich denn nie mehr wiedersehen. Lebe wohl und vergiß mich, wie ich dich zu vergessen suche.«
    Schon hatte er die Türe erreicht, da sprang Myrrah auf, als ob sie ihn zurückhalten, sich an seine Brust werfen wollte, aber sie faßte sich gewaltsam, indem sie auf ihren Sitz zurücksank, die Arme und den Kopf erschlafft herabhängen lassend.
    Menes ging.
    Nach einigen Minuten flog durch das kleine Fenster ein Siegelring, den ein smaragdener Käfer zierte, zu Myrrahs Füßen nieder. Über eine halbe Stunde lang saß das Mädchen regungslos da. Draußen waren längst die Schritte ihres Freundes verhallt, die Straße füllte sich mit Menschen, die ihrem Gewerbe nachgingen; Aufseher traten in die Wohnungen, um Steuern zu erheben oder die jungen Männer der Ebräer zum Ziegelbrennen abzuholen. Wagen rollten, Sänften wurden getragen, das Brausen und Tosen einer Großstadt drang bis in das kleine Zimmer des Mädchens. Diese schüttelte endlich die schwermütige Erschlaffung von ihren Gliedern, hob vorsichtig den Smaragden vom Boden auf, küßte ihn, wickelte ihn in ein feines Tuch und barg ihn errötend an ihrer Brust. Hierauf nahm sie ihr Kopftuch, um an den Ufern des Nils Blumen zu suchen, damit sie Kränze und Sträuße daraus winden möchte, da heute abend ein vornehmer Ägypter solcher bedurfte, seinem Feste Pracht und Glanz zu verleihen. Als sie nach Ablauf von zwei Stunden ermattet in ihr niedriges Zimmer zurückkehrte – wer beschreibt ihr Erstaunen – da trug ihr Tisch eine kostbare Mahlzeit, wie sie solche noch nie gesehen, geschweige denn genossen. Gänsebraten, feines Gebäck, Datteln, Wein, breitete sich duftend vor ihren erstaunten Augen aus; sie jedoch ließ die Speisen unberührt.

    Drittes Kapitel
    Über dem Zimmer Myrrahs befand sich dasjenige des kranken, alten Juden. Die Lehmwand des Gemachs zeigte mehrere Löcher, durch die der Wind nach Belieben pfeifen konnte. Der ausgetretene Fußboden war nicht der reinlichste; an Tischen und Stühlen waren nur sehr zerbrechliche Exemplare vorhanden, deren Farbe in widriges Grau übergegangen war. Durch einen zerrissenen, grünen Vorhang schielte die Sonne über zerbrochenes Tongeschirr, welches am Boden stand. Auf einem sehr niedrigen, hölzernen Gestell, das mit etlichen Lumpen belegt war, lag der alte Mann; sein Atem kam zögernd über seine Lippen, schwer, mühsam hob sich seine Brust. Neben ihm kniete sein Sohn Isaak, mit ängstlicher Aufmerksamkeit in das matte, blasse Gesicht, die irren, glanzlosen Augen des Vaters blickend, zuweilen ihm den blutigen Stirnverband zurechtrückend oder mit Wasser seine Lippen befeuchtend.
    »Stirb mir nicht, Vater,« kam es aus Isaaks Busen hervor, »du weißt, ich liebe dich, verlasse deinen Sohn noch nicht, halte noch mit ihm in dieser elenden Welt aus.«
    »Wo bleibt Rebekka, deine Schwester?« frug mit einiger Anstrengung der Sterbende. »Ich sah sie nicht, so lange ich an dieser Wunde daniederliege, warum tritt sie nicht an das Sterbelager ihres Vaters?«
    »Verzeihung, mein Vater,« sprach der junge Mann, indem er hastig nach den zuckenden Händen des Alten griff, »Verzeihung deiner Tochter und mir! Wie konnte ich ahnen, daß sie so herzlos, so gottlos wird, als ich sie dazu verleitete, unserer Not durch Harfenspiel und Tanz ein Ende zu machen.«
    Über das Angesicht des Alten flog ein Schatten.
    »Ja, du warst es, der meine Rebekka,« keuchte er, »dem

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