Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
Spaziergang oder Jogging verwendet. Das geht jetzt schlecht, und die Lautsprecher im Helm lassen sich immer noch nicht abschalten. Walpar verdreht die Augen und holt Luft. Aber Kerbil ist schneller. »Du bist es, die keine Ahnung hat«, versetzt er. »Walpar übernimmt nicht diese üblichen Fälle. Finden Sie raus, ob meine Frau mich hintergeht. Ermitteln Sie, wer meinen Sternenjaguar geklaut hat. Kriegen Sie raus, ob mein Sohn wirklich schwul ist. Tschuldigung.«
»Schon gut«, winkt Walpar ab. »Dann werde ich jetzt mal meinen Job erledigen.« Entschlossen steht er auf.
»Wohin gehst du?«, fragt Nera unfreundlich.
»Betriebsgeheimnis.«
»Das wusste ich«, behauptet Kerbil.
Nera stupst ihn in die Seite. »In einer Stunde gehen wir zum Bus.«
»So lange wird es nicht dauern«, meint Walpar. »Schließlich wollen wir heute noch einen Film zusammen anschauen.«
»Juhu!«, entfährt es Kerbil, der anscheinend völlig vergessen hat, dass er vorhin überhaupt noch keine Lust dazu hatte. Er hüpft in die Höhe, und Nera hält ihn fest, damit er nicht in den Kosmos entgleitet.
»Und du musst dich noch auf die Suche nach Tilko machen«, erinnert Nera. »Verschwörer und Phantome hast du für heute genug gejagt.«
»Bis später«, winkt Walpar. Er geht die leere Sitzreihe entlang, schwingt sich am Ende der Tribüne über das Geländer und stößt sich nach unten ab.
Er hält sich an einer Verstrebung fest, um nicht zu hart aufzukommen, landet aber trotzdem auf dem Hosenboden.
Umständlich schaut er sich um, weil der Helm seine Sicht stark einschränkt. Er befindet sich jetzt unter der Tribünenkonstruktion. Hier ist niemand zu sehen, nur ein paar Roboter unbekannten Zwecks. Walpar hangelt sich an Stangen und Streben entlang. Die Tribünen beschreiben einen Halbkreis um den Altar, die äußerste muss also in der Nähe der Fingernagelkante stehen.
Keuchend erreicht Walpar das Ende des Bauwerks. Zu seinem Leidwesen erwartet ihn dort ein Sicherheitsroboter. Das Gerät ist schwarz-gelb bemalt und ähnelt einer Hummel mit eingemeißeltem Grinsen, das Vertrauen erwecken soll.
»Bitte gehen Sie wieder auf Ihren Platz«, schnarrt der Roboter.
»Ich suche die Toilette«, sagt Walpar. »Ein Kollege von Ihnen meinte, dies sei die richtige Richtung.«
Der Roboter benötigt eine nicht messbare Zeit, um über Funk von seinen Kollegen zu erfahren, dass Walpar lügt. Gleichzeitig stellt ein parallel arbeitender Prozess fest, dass es überhaupt keine Toiletten in der Anlage gibt.
Prozess Nummer drei hat Walpars Raumanzug kontaktiert und herausgefunden, dass dieser über eine defekte Körperabfallaufnahmevorrichtung verfügt. Die Software des Roboters ist von minderwertiger Qualität und weiß nicht, wie sie die Situation handhaben soll. Um das zu vertuschen, wird eine zufällige Zeile aus dem Smalltalk-Speicher abgerufen.
»Schönes Wetter heute, haben Sie eine Zigarette?«, schnarrt der Roboter.
Walpar zeigt zur Fingernagelkante. »Ah, da geht es lang. Vielen Dank.«
Das Programm des Roboters glaubt, dass es zufriedenstellend gearbeitet hat. »Gern geschehen.«
Walpar eilt an der Maschine vorbei. Sein Tempo ist jetzt ziemlich hoch, und es gibt hier keine Streben oder Leinen, an denen er sich festhalten könnte. Kurz vor der Kante stürzt er sich auf den Boden und platscht die Hände flach auf den schartigen Untergrund. Dadurch bremst er ein wenig ab, und der Schwung dreht seinen Körper in Richtung Nichts.
Als Walpars Beine über der Kante hängen, klappt er seinen Körper zusammen und rutscht den Abhang hinunter.
Die ganze Masse des Fingers befindet sich jetzt unter ihm, er schlittert langsam in irgendeine Richtung und er glaubt, so etwas wie Schwerkraft zu spüren. Vielleicht ist es aber auch nur sein Verstand, der ihm in den Magen gerutscht ist. Sein Innenohr weiß ohnehin nicht mehr, wo oben und unten ist, und befielt dem Magen, sich sicherheitshalber möglichst bald von seinem Inhalt zu trennen.
Walpar unterdrückt den Brechreiz. Er würde jetzt keinesfalls behaupten, dass er sich besonders gut fühlt. Aber er hängt unter Gottes Fingernagel und genau hier wollte er hin. Freilich hat er dafür keine spirituellen Gründe, sondern forensische.
Kurze Zeit später hört der Sicherheitsroboter einen Hilferuf von einem verunglückten Menschen, der versehentlich auf der Suche nach einer Toilette vom Finger gefallen ist.
Der Bus summt gemütlich Richtung Mars. Während eine Nonne durch die Reihen schreitet und Wärmflaschen mit Rüschen
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