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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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die Sehgewohnheiten geändert haben«, belehrt ihn Kerbil.
»Heute sind coole Sachen blau.«
»Wie die Kartoffelchips«, sagt Nera und hebt die monumentale Tüte hoch, damit Walpar sich endlich setzen kann.
»Gib her!« Kerbil grapscht nach der Tüte und bedient sich geräuschvoll.
»Da! Da ist er!«
»Das ist der coole Held?« Walpar zeigt vage auf den Mann mit schwarzem Anzug und grauem Hut, der gerade von einem altmodischen Butler begrüßt wird.
»Sein Name ist Philip Marlowe !«, haucht Kerbil andächtig und fängt an, blaue Kartoffelchips in seinen Mund zu schaufeln.
»Kenn ich nicht«, sagt Walpar. »Er ist ein Detektiv, sagst du?«
»Er ist nicht irgendein …«
»Ich habe überhaupt nicht irgend gesagt.«
»Er ist der Detektiv«, verkündet Kerbil. »Marlowe! Er ist ein DetektivDetektiv, wisst ihr, was ich meine? DetektivDetektiv. Wie ColaCola. Oder FilmFilm. Pssst !«
Drei Minuten später ist Walpar Tonnraffir eingeschlafen.

Als Walpar aufwacht, versucht Nera gerade, Kerbil daran zu hindern, den Film noch einmal zu starten. »Warum tust du mir das an, kleines Monster?«, heult sie und sieht in diesem Moment so alt aus, wie sie in Wirklichkeit ist.
»Der is soooo cooool«, säuselt Kerbil und hält seine Hand weit über seinen Kopf. Seine Augen schauen in unterschiedliche Richtungen. Die monumentale Psychips-Tüte ist fast leer und rutscht von seinem Schoß. Nera greift fahrig danach und sucht nach Chips-Resten.
»Kann es sein«, fragt Walpar mit belegter Stimme, »dass ihr zwei die ganze Tüte …?«
»Da!«, ruft Kerbil. »Philip Marlowe!«
Nera zupft Walpar am Ärmel. »Wo du sowieso wach bist«, lallt sie, »hast du noch mehr Saftafl…schlaff…flaschen?«
»Du hast genug, glaube ich.«
»Können auch leer sein.«
»Äh«, macht Walpar, weil er nicht weiß, was Nera mit leeren Quatlingsaft-Flaschen will. Er fragt sie.
»Na wegen der Deckel.«
»Deckel«, echot Kerbil und nickt ernst. Dann nimmt Philip Marlowe wieder seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Er unterhält sich gerade mit einer Blondine, die auf seinem Schreibtisch sitzt.
»Was ist mit den Deckeln?«, fragt Walpar verzweifelt.
»Da sind Codes drin«, erklärt Nera und versucht angestrengt, Walpar in die Augen zu sehen. »Für 25 Codes kriegt man eine Stunde gratis beim Psychiater.« Sie hebt den Zeigefinger. »Bei einem echten «, ergänzt sie ernst.
»Gab es eine Explosion oder nicht?«, fragt Kerbil plötzlich, ohne freilich den Blick von der Leinwand abzuwenden.
»Unter Gottes Fingernagel waren Spuren von Sprengstoff«, antwortet Walpar.
»Ich habe eine Theorie«, verkündet Kerbil. »Gott hat sich selbst in die Luft gesprengt.«
»Du hast zu viele Chips gefuttert«, sagt Nera. »Ich hab fast keine abgekriegt.« Ihr entrückter Blick verrät, dass das nicht ganz stimmt.
»Gott hat die ganzen letzten Jahre alle 300 000 Fernsehprogramme gleichzeitig geguckt«, referiert Kerbil und winkt mit einer leeren Colaflasche.
»Das kostet ziemlich viel Zeit. Deshalb hat man in letzter Zeit so wenig von ihr gehört.«
»Von ihr ?«, fragt Walpar irritiert.
»Weiß doch jeder, dass Gott ne Frau ist. Schaust du keine Filme? Dogma !«
»Kenn ich nicht. Ich hatte in Popkultur nur eine Drei in der Schule.«
Kerbil winkt ab, stellt fest, dass er eine Colaflasche in seiner Hand hält, die leer ist, und hält Ausschau nach Ersatz. »Hast du noch Zimt-Cola?«
»Nein. Aber ich hole dir eine Pille. Du bist ja ganz aufgedreht.« Ohne Widersprüche abzuwarten, rappelt Walpar sich hoch, ohne seine Schulter zu belasten. Nera kippt zur Seite und schimpft leise, aber Zunge und Lider sind zu schwer. Kerbil manipuliert derweil Walpars Pinguin, der leichtfertigerweise auf dem Tisch zwischen dem Knabberkram liegt.
Walpar kämpft sich in die Küche. Auf der Kühlschranktür läuft eine Art Castingshow für Prediger, aus aktuellem Anlass ins Programm des Einkaufsenders gehievt. Gerade steht ein schwarz gekleideter Typ auf einer Bühne. Um ihn herum hat der Sender Grabsteine aus Pappe aufgebaut, oder sie werden digital ins Bild montiert, man weiß ja nie. Der Kandidat hantiert mit einer Schaufel und rappt auf Latein, sodass Walpar kein Wort versteht.
Glücklicherweise werden Untertitel eingeblendet. Sie verraten, dass der Kandidat eine Sekte vertritt, die Geld für ein ordentliches Begräbnis des Gottesfingers sammelt.
Von nebenan dringen Anfeuerungsrufe herüber: »Marlowe! Marlowe!«
Walpar seufzt und sinkt auf den kleinen Küchenhocker. Der Totengräber auf der Bühne ist

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