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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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blöd.«
»Man nennt das erwachsen «, meint Nera freundlich. »Walpar, was waren das für Kuttenleute?«
»Ich habe keine Symbole gesehen, und es trugen längst nicht alle die blauen Kutten.« Er überlegt kurz. »Vielleicht ist es eine unorganisierte Aktion.
Eine spontane Pilgermiliz.«
»Die haben was zu verbergen«, behauptet Kerbil.
»Wie kommst du darauf?«
»Weil da kein Blut ist, kein Knochen und kein Fleisch.« Kerbil klingt wie ein Lehrer, der Zehntklässlern Bruchrechnung beibringen will.
»Interessante Theorie«, findet Walpar. »Kannst du sie beweisen?«
Nera schnauft. Walpar weiß nicht genau, ob aus Unwillen oder vor Anstrengung, denn die Kletterei in der Schwerelosigkeit geht an die Kondition.
»Nein«, ruft Kerbil fröhlich. »Glaubst du an Gott?«
»Ich …« Walpar schluckt, weil er fast die Leine losgelassen hat. »Das ist kompliziert.«
»Eigentlich nicht«, meint Kerbil. »Aber wenn dir die Frage zu kompliziert ist, stelle ich dir eine einfachere.«
»Danke«, sagt Walpar erleichtert.
»Glaubst du, dass Gott wie ein Mensch ist, bloß zehntausendfach größer?«
Walpar muss diesmal nicht lange überlegen. »Nein«, sagt er entschieden.
»So große Menschen kann es nicht geben.«
»Na also. Also ist dies kein echter Zeigefinger. Demzufolge …« Auch Kerbil keucht jetzt, weil er mal wieder versucht, über eine Querfurche zu springen. »Demzufolge besteht er nicht aus Fleisch und Blut. Daher gibt es an der Fingerwurzel etwas anderes zu sehen. Und die Kerle wollen verhindern, dass wir erfahren, was das ist. Quod erat dingensdarum.«
»Demonstrandum«, hilft Nera.

Die Andacht auf dem Fingernagel erweist sich als hervorragend organisiert.
Am Zugang stehen Roboter in weißen Kutten und sammeln Spenden. Die eingesetzten Exemplare haben Menschen gegenüber den Vorteil, ohne Raumanzug auszukommen. Daher sehen sie nicht aus wie U-Boote in Geschenkpapier, sondern verkörpern eine gewisse spirituelle Erhabenheit.
Möglicherweise liegt das auch an den Chorgesängen, die hier über die allgemeine Frequenz in jedem Helm das Ohr erfreuen.
Große Videowände verkünden fromme Sprüche in unzähligen Sprachen, unbequeme Holzbänke auf Behelfstribünen sind fest mit dem glatten Untergrund des Fingernagels verschraubt. Walpar fragt sich, wer diese umfangreiche Ausstattung in der kurzen Zeit seit dem Auftauchen des Fingers hierher transportiert hat. Die logistische Leistung ist beeindruckend, aber genaugenommen gilt das auch für die Kreuzzüge.
Als Kerbil, Nera und Walpar im wenig frequentierten Bereich einer Tribüne Platz nehmen, spüren sie den anstrengenden Marsch in der Schwerelosigkeit in Knochen und Muskeln. Die Raumanzüge verfügen über eine integrierte Erfrischungsbar in Form eines Strohhalms. Die Sprachsteuerung ist schnell aktiviert, und der Anzug stellt ein warmes Energiegetränk zur Verfügung, von dem Walpar hofft, dass es nicht aus den Exkrementen eines früheren Trägers des Anzugs gewonnen wurde. Bei den effizienzsüchtigen Raumfahrttechnikern kann man nie wissen. Walpar vermeidet es, weiter darüber nachzudenken, und freut sich auf die Toilette im bequemen Reisebus.
Als ihm der Gedanke kommt, dass die restlichen Touristen ähnliche Bedürfnisse verspüren werden, konzentriert er sich lieber auf die Andacht.
»Möge unser Glaube stark sein«, beschwört ein Pfarrer gerade die Besucher, »und möge unser Auge geöffnet sein, um die Wunder Gottes zu erkennen.« Er schwenkt eine Kerze hin und her, die offenbar mit einer elektrischen Flamme versehen ist, weil sie mangels Sauerstoff hier nicht brennen würde. »Amen. Und nun einige Hinweise unserer Sponsoren.«
Nicht nur die Videowände zeigen, was genau gerade am Altar geschieht, der in einiger Entfernung aufgebaut ist – auf Wunsch kann Walpar den Mini-Videoschirm seines Raumhelms in die Bildübertragung einklinken. Da mehrere Fernsehsender im Sonnensystem dieselben Bilder ständig live übertragen, bräuchte er genaugenommen gar nicht hier zu sein. Deshalb lässt er seinen Schirm aus und konzentriert sich auf die Fakten, die nicht jedem Fernsehzuschauer zugänglich sind.
»Du siehst aus, als hättest du keine Ahnung«, versetzt Nera ihm einen mentalen Tritt. »Weißt du was? Du bist ein lausiger Detektiv. Du hast keinen Plan, keine Strategie. Nicht die geringste Idee.«
Es ist offensichtlich, dass Nera schlechte Laune hat. Walpar kennt das.
Tilko hat das von ihr geerbt. Er kann ganz gut damit umgehen, indem er solche Anfälle für einen kleinen

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