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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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Nera bildet die Nachhut.
»Die Länge beträgt ungefähr einen Kilometer, der Durchmesser 200 Meter.«
»Gott ist groß.« Neras Stimme klingt nach erzwungener Ehrfurcht.
»Und langweilig«, quengelt Kerbil.
Walpar zögert kurz, weil jemand einen riesigen Schriftzug auf die Seite der nächsten, zehn Meter breiten Querfurche gemalt hat: »Maniküre so gut wie gratis« heißt es da, und eine E-Mail-Adresse steht darunter.
»Ich springe jetzt da rüber«, verkündet Kerbil. Die Erwachsenen holen noch Luft, um ihn zurückzupfeifen, da fliegt der Junge schon an ihnen vorbei und landet zielgenau am gegenüberliegenden Rand der Furche.
»Na warte«, entfährt es Walpar und schon schießt er hinterher.
Nera stöhnt, als würde ihr jemand die Ohren langziehen. Dann hangelt sie sich geduldig an der Leine entlang. »Können wir uns darauf einigen, nicht unser Leben aufs Spiel zu setzen? Auch wenn ziemlich viele Busse und Taxen in der Gegend herumfliegen, kann es gut passieren, dass niemand einen Anhalter mitnimmt, der hilflos durch den Kosmos driftet und ein bisschen mit den Armen wedelt.«
Kerbil hört auf, in gespielter Panik mit den Armen zu wedeln. »Schauen wir heute Abend zusammen einen alten Film?«
»Wie alt?«, fragt Walpar.
»Er wird dir gefallen.«
»Wirklich?«
»Es kommt ein Detektiv drin vor.«
»Wer ist das da vorne?«, mischt Nera sich ein.
»Wo?«
Nera bekommt Kopfschmerzen. Auch im Kosmos ist »vorne« eindeutig, wenn man auf einem länglichen Objekt steht und diesem in Längsrichtung folgt.
»Ach so.« Jetzt sieht auch Walpar die Personengruppe, die Nera gemeint hat. Es handelt sich um Leute, die es für notwendig halten, über ihren Raumanzügen tiefblaue Kutten zu tragen. Vermutlich wollen sie damit irgendeine Art von Spiritualität illustrieren, die mit Sicherheit irgendetwas mit dem Ort zu tun hat, an dem sie stehen.
»Kommen Sie nicht näher, im Namen des Herrn.« Walpar, Kerbil und Nera sind in Funkreichweite, sodass sie den Wortführer der Kuttenträger hören können. Unschlüssig lässt Walpar den Blick über die Gruppe schweifen. Es ist offensichtlich, dass sie den Weg zum Ende des Fingers versperren. Sie bilden eine Kette, wenn nicht gar einen Ring, um niemanden vorbeizulassen. Aus der Entfernung ist das gut zu erkennen. In der Tat ist die menschliche Mauer so weit entfernt, dass man sich nur mit lauten Rufen verständigen könnte.
Über Funk sind sich die Besucher und die Kuttenträger viel näher. Walpar findet das ungewohnt. Außerdem kann er nicht erkennen, wer der Wortführer ist, der ihn aufgefordert hat, nicht näher zu kommen. Mangels eines konkreten Ansprechpartners identifiziert Walpar die Stimme im Lautsprecher automatisch mit dem gesamten Kuttenring.
»Warum? Brauchen wir eine Eintrittskarte?«, fragt er unschuldig. Nera stöhnt leise, und Kerbil kichert.
»Wir sind die Stimme der Pietät«, erklärt der Kuttenring feierlich. »Hinter unseren Rücken liegt die Wunde Gottes. Niemand soll die Verletzlichkeit des Herrn aus Sensationsgier beflecken, Fotos davon machen, sein rohes Fleisch als Andenken mitnehmen oder den eigenen Namen hineinritzen.«
Inzwischen haben sich weitere Pilger auf der Anhöhe eingefunden. Unzufriedenes Gemurmel schwingt auf der allgemeinen Frequenz, bis eine feste Stimme donnert: »Ich habe meiner Tochter aber ein Foto vom bloßen Knochen versprochen!«
»Und ich will Blut sehen!«
»Wir haben dafür bezahlt!«
»Ich habe mir extra eine neue Kamera gekauft!«
Walpar schließt kurz die Augen. Er bedauert, dass sich die Lautsprecher im Anzug aus Sicherheitsgründen nicht abschalten lassen. Schweiß steht auf seiner Stirn, aber er kann ihn nicht abwischen.
»Was machen wir jetzt?«, fragt Nera.
»Mich hält niemand auf«, donnert die laute Stimme von vorhin, und rechter Hand macht sich ein rosa Raumanzug energisch auf den Weg Richtung Barriere.
»Im Notfall wenden wir Gewalt an, um der Pietät willen«, meldet sich erneut der Sprecher der Blaukutten. Es erfolgt keine Antwort, aber als der rosa Dissident sich dem Schutzwall nähert, kommt es zu einem Handgemenge. Gemischte Flüche tönen in den Lautsprechern.
»Wir versuchen es beim Fingernagel«, entscheidet Walpar und wendet den Blick ab. »Da ist ohnehin gleich die Andacht.«
»Den ganzen Weg umsonst«, klagt Kerbil.
»Welchen Film möchtest du heute Abend anschauen?«, lenkt Nera ab, während sie sich hinter Walpar auf den Rückweg macht.
»Gar keinen«, trotzt Kerbil, »jedenfalls nicht mit euch, ihr seid echt

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