Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
der ganz gewöhnliche, alltägliche Verstand übrig geblieben. Aber klang ich nicht überzeugend? Das Wort ‚reißerisch‘ war doch nachgerade ein Geniestreich, nicht wahr?“
Und das war das.
Schönheit, wie sie Nicole zu eigen war, war nicht zu verachten, und natürlich erfreute Lucas sich an ihrem Anblick, begehrte sie wegen dieser Schönheit; als er jedoch in ihre so bemerkenswerten Augen schaute und das kleine Teufelchen darin entdeckte, das ihm mutwillig zublinzelte, war er in höchster Gefahr, sich ganz und gar zu verlieren. Und er wusste es.
3. KAPITEL
A ls wollte der Himmel Nicole für ihr gestriges Betragen bei der Dinnergesellschaft strafen – das, wie sie sehr wohl wusste, unverschämt gewesen war – regnete es am nächsten Morgen in Strömen, sodass kein vernünftiger Mensch sich ins Freie wagen wollte, von einer Ausfahrt nach Richmond ganz zu schweigen.
In ihrer Verzweiflung vergrub sie sich in ihrem Zimmer und vertiefte sich in Lydias Ausgabe von Jane Austens Emma , bis alle Charaktere des Buches gut unter die Haube gekommen waren.
Nicht, dass sie die Geschichte besonders genossen hätte. All dieser Wirbel darum, die richtigen Personen miteinander zu verkuppeln, erschien ihr albern. Gab es für Frauen denn nichts Besseres zu tun, als sich mit solch profanen Dingen zu befassen? Offensichtlich würde sie selbst durch ihre Entscheidung, nie zu heiraten, vor solchem Unsinn bewahrt bleiben, wofür sie ewig dankbar sein wollte.
Doch da sie sich auf dem Gebiet des Ehestiftens für talentierter hielt als die Romanfigur Emma, glaubte sie, dass es schon Spaß machen könnte, für Lydia einen passenden Gatten zu finden. Denn obwohl sie nicht einsah, warum sie selbst sich in den Hafen der Ehe begeben sollte, erkannte sie doch klar, dass für ihre Schwester zu lieben und wiedergeliebt zu werden eine Lebensnotwendigkeit war.
Nicole dachte an den Viscount Yalding, der ja nun wirklich nett zu sein schien, wenn auch ein wenig unsicher. Ob er für Lydia infrage kam? Sie hatte seit dem gestrigen Dinner kein einziges Mal von ihm gesprochen.
Dafür hatte sie den Marquis of Basingstoke erwähnt, mehrfach sogar. Wie Captain Fitzgerald war er Soldat gewesen, wie der las er Thomas Payne. Wie der war er sehr liebenswürdig zu ihr und bewunderte offensichtlich ihre Klugheit. Doch was bedeutete das schon, außer dass Lydia immer noch oft an den armen Captain dachte und von ihm sprach.
Als endlich am dritten Tag eine bleiche Sonne zwischen den Wolken hervorkam und damit auch die beiden Herren in ihren schicken Sportkarriolen vorfuhren, um sie zu dem versprochenen Ausflug abzuholen, hatte Nicole sich selbst eingeredet, dass Lucas Payne sich in nichts von anderen Männern unterschied, dass ihre intensive Reaktion auf ihn nur eine momentane geistige Verwirrtheit gewesen war. Sie wollte Welten erobern, nicht nur diesen einen Mann, und sie konnte nicht zulassen, dass er nach gerade mal zwei Treffen ihre Gedanken weiterhin derart in Anspruch nahm.
Nicole rühmte sich, ihr Leben und ihre Gedanken fest im Griff zu haben – und ganz bestimmt ihr Herz. Warum also brauchte sie nur daran zu denken, ihn wiederzusehen, und ihr wurde ganz schwach zumute?
Ach, Schluss mit dieser mädchenhaften Albernheit. Heute würde sie dafür sorgen, dass sie die Oberhand hatte.
Während dieser Überlegung sah sie zu, wie ihre Schwester ihre Hutbänder knüpfte, und versuchte, sich vorzustellen, dass Lydia mit dem Marquis of Basingstoke verheiratet wäre. Ganz kurz erzeugte der Gedanke ein heftiges, unerklärbares Stechen in ihrer Brust, doch sie zwang sich, die Überlegung fortzuführen.
„Lydia?“, fragte sie, während sie Seite an Seite zur Treppe eilten – Rafe hatte ihnen erklärt, es sei unhöflich, die Herren warten zu lassen, weil die Pferde dann zu lange stillstehen mussten. „Was hältst du von dem Marquis?“
Lydia blieb stehen. „Was ich von ihm halte? Tut mir leid, Nicole, aber ich denke nicht einmal an ihn, außer sehr flüchtig. Was hältst du denn von ihm?“
Ohne auf die Frage einzugehen, sagte Nicole: „Findest du nicht einmal, dass er gut aussieht?“
Lydia nahm Nicole beim Arm und führte sie ein Stück den Gang zurück. „Was ist nur? Ich dachte, du magst den Mann. So schien es mir jedenfalls, als wir ihn das erste Mal trafen, und bei unserem Dinner war er ein wirklich reizender Gesellschafter. Rafe mag ihn, Charlotte auch. Willst du ihn in deinem verqueren Sinn etwa ablehnen, nur weil alle anderen ihn
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