Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
und dringend härtere Gesetze hermüssten, um uns vor einer Revolution zu bewahren.“
Lucas beugte sich vor und nahm das Blatt entgegen. „Lass sehen.“
Doch als er es in Händen hielt und einen Blick darauf warf, rann ihm jäh ein eisiger Schauer über den Rücken, nicht angesichts der Worte, sondern wegen der Handschrift, in der sie geschrieben waren.
„Lucas, stimmt etwas nicht?“
„So könnte man sagen. Ich erkenne die Handschrift. Eine nicht alltägliche Schrift.“ In seinem Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. „Du weißt ja, dass ich vor etwa einem Jahr einen anonymen Brief bekam. Es ging um meinen Vater.“
Rafe nickte. „Ja, dass dein Vater unschuldig sei, dass jemand bewusst den Verdacht auf ihn gelenkt habe, um die eigene Karriere zu beschleunigen.“
„Ja, denn nachdem mein Vater so erfolgreiche Verhandlungen geführt hatte, war sein Name als der des zukünftigen Premierministers gehandelt worden … aber damit war es dann vorbei.“
„Sagst du etwa, dass Frayne diesen anonymen Brief schrieb?“
„Ja, ganz genau das“, knurrte Lucas und sprang erregt auf. „Nur warum?“
„Bei einem derart ehrgeizigen Mann wie Frayne kann man nie wissen. Er hatte so viele Eisen im Feuer. Schau dich an – auch du solltest bei seinen hochfliegenden Plänen eine Rolle spielen.“
„Anfangs dachte ich ja, er wollte jemanden aus dem Weg räumen und ich sollte das Instrument dazu sein.“ Angewidert legte er das Blatt nieder und schaute seinen Freund an. „Und jetzt? Jetzt denke ich, dass entweder er selbst der Verräter war, in der Hoffnung, an meines Vaters Stelle das Amt zu bekommen, oder dass er im Grunde überhaupt nichts über die Sache wusste und mich nur für seine Pläne geködert hat.“
„Vielleicht wirst du es nie erfahren. Fraynes Glaubwürdigkeit ist dahin, nach dem, was geschah, gibt im Parlament kein Mensch mehr etwas auf ihn. Seine politische Karriere ist vorbei. Für das, was er deiner Familie antat, wird er jedoch nie bestraft werden. Kannst du damit leben, mein Freund?“
Langsam ging Lucas zum Fenster und schaute in den kleinen Garten hinunter, der auf der Rückseite des Hauses lag.
Dort stand eine hübsche schmiedeeiserne Bank halb im Schatten, halb in der Sonne. Darauf hatten es sich Lydia und Nicole bequem gemacht.
Lydia, ein züchtiges Häubchen auf dem Kopf, saß im Schatten und hatte ihre Nase in einem Buch vergraben.
Nicole neben ihr hatte die sonnenbeschienene Seite gewählt; ihr Häubchen ruhte auf ihrem Schoß, den Kopf weit zurückgelehnt, bot sie ihr Gesicht den Sonnenstrahlen dar und mochte nachgerade fühlen, wie eine ganze Schar neuer Sommersprossen auf ihrer zarten Haut aufblühte. Sie bohrte ihre bloßen Zehen genüsslich in das weiche Gras, während neben ihren Füßen vergessen ein Paar feiner Lederslipper stand.
Lucas’ Herz schwoll vor Liebe. Er betete diese junge Frau da unten an. Seine Mutter würde sie anbeten, und ihre zukünftigen Kinder würden sie anbeten. Und schon jetzt wusste er, dass es ihr gelingen würde, seine Mutter aus ihrer langen Trübsal aufzuwecken.
Die Vergangenheit, so unabänderlich sie war, zählte nicht mehr. Hell lag die Zukunft vor ihnen.
„Ja“, sagte er, und er glaubte fest an das, was er sagte, „damit kann ich leben.“
– ENDE –
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