Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
die Unterhaltung auf mehr als unschuldiges, nichtssagendes Geplauder hinauslaufen. „Sie mögen recht haben, Lady Nicole, aber wollen Sie riskieren, Ihre Schwester zu verletzen?“
„Nein, wohl nicht. Zumindest nicht gerade jetzt. Aber wenn wir uns erneut treffen, denke ich, sollten wir nicht um dieses Thema herumschleichen wie die Katze um den heißen Brei. Ständig den Namen den Captains zu vermeiden, ist Betrug an Lydia und außerdem schwer zu bewerkstelligen.“
„Wenn wir uns erneut treffen? Ein Hoffnungsschimmer erhellt mein Dasein. Also haben Sie die Erlaubnis für den Ausflug nach Richmond?“
Als sie ihn anlächelte, erschien das Grübchen in ihrer Wange wieder. „Rafe hält Sie für harmlos, ja. Wie kommt es Ihnen vor, Mylord, für harmlos gehalten zu werden? Ich bin nur neugierig, weil ich noch nie so eingeschätzt wurde.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum nicht“, sagte Lucas ironisch. Gerade wurde der zweite Gang serviert, doch es mangelte ihm an Appetit – außer dem auf die Frau neben ihm, die ihn bewusst reizte, Grenzen auslotete, um zu sehen, wie weit sie gehen konnte, ohne ihn zu schockieren.
Genau das hätte er auch gern gewusst.
„Lucas.“ Fletcher beugte sich zu ihm herüber. „Du wirst es nicht glauben, aber Lady Lydia hat Thomas Payne gelesen. Hast du je so etwas gehört?“
„Tatsächlich, Lady Lydia?“, fragte Lucas, interessiert, wenn auch leicht erstaunt. „Viele meinen, dass seine berühmte Schrift ‚Common Sense‘ die damaligen amerikanischen Kolonien erst zur Auflehnung gegen die Krone angestachelt haben. Wussten Sie das?“
Zwar erröte Lydia, doch sie schaute Lucas offen an. „Aber manche Dinge muss man doch aussprechen, finden Sie nicht? Ungerechtigkeit muss schließlich angeprangert werden. Wie Mr Payne sagt, dürfen wir nicht zulassen, dass wir uns zufrieden und selbstgefällig zurücklehnen, ohne je die Staatsgewalt infrage zu stellen.“
„Ja, ich erinnere mich an den Passus. ‚Ein Unrecht, das zur Gewohnheit wird, bekommt den falschen Anschein, Recht zu sein.‘“
„Du kannst ihn zitieren, Lucas?“, sagte Rafe von seinem Platz am Kopf der Tafel. „Sag nicht, du betrachtest den Mann als Verwandtschaft.“
„Keineswegs, doch da wir den gleichen Namen tragen, drängt es meine Familie hier und da, sein Andenken zu verteidigen. Einige seiner Schriften bewundere ich wirklich, aber ich wünschte, er hätte aufgehört zu schreiben, bevor er die schrullige Idee hatte, die ‚Menschenrechte‘ zu veröffentlichen. Eine Zeit lang galt der Besitz des Büchleins hier als Verbrechen, wisst ihr das?“
„Lydia hat es“, sagte Nicole leise. „Erst heute Nachmittag noch habe ich darin gelesen.“
Lucas hob eine Braue. Dass sie ihn über kurz oder lang schockieren würde, war ihm von vornherein klar gewesen, doch so schnell hatte er nicht damit gerechnet. „Tatsächlich? Und konnten Sie sich schon eine Meinung bilden?“
Nicole biss sich kurz auf die Unterlippe, dann nickte sie. „Soll ich ehrlich sein? Meine Schwester mag dem nicht zustimmen, doch nach dem, was ich bisher gelesen habe, glaube ich, der Mann verbreitet reißerische Thesen, die aus einer Mischung von unverdaubaren Wahrheiten und gefährlichem Unsinn bestehen.“
Lucas lachte laut heraus. „Rafe! Hast du das gehört? Ich hätte es selbst nicht besser ausdrücken können!“
„Du hast es neulich selbst gesagt“, erklärte Fletcher und musterte Nicole neugierig. „Das ist fast schon unheimlich.“
Lucas bemerkte, dass Rafe und seine entzückende Gattin verdutzte Blicke tauschten, so, als hätten sie von Nicole solche Äußerungen nie erwartet. Dennoch schienen sie nicht entsetzt darüber, dass die jungen Damen Paynes Werke lasen. Oder steckte da mehr dahinter?
„Da Sie Thomas Payne lesen“, wandte er sich an Nicole, „zählen vermutlich Wieland, Gibbon und Burke ebenso zu Ihrer Lektüre?“
„Vermuten können Sie, was Ihnen gefällt“, erwiderte sie strahlend, und er wusste, dass er gerade ganz klar auf seinen Platz verwiesen worden war. Von einem jungen Ding, das sich offensichtlich nicht so leicht von einem ungeschickten Tropf wie ihm aus der Fassung bringen ließ.
„Tut mir leid, ich hätte schweigen sollen“, sagte er und merkte erstaunt, wie sie ihm ihre Hand auf den Unterarm legte und näher an ihn heranrückte.
„Und ich hätte nicht vorgeben sollen, anders zu sein, als ich bin“, murmelte sie. „Lydia hat die ganze Klugheit abbekommen, für mich ist nur
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