Wandel
fest umklammert. Murphy hatte sich auf ein Knie fallen lassen, ihre P-90 lag auf dem Boden neben ihr, und ihre Rechte bewegte sich unglaublich langsam, aber entschlossen auf das Schwert auf ihrem Rücken zu. Martin lag am Boden.
Von den anderen vermochte ich niemanden zu sehen, dazu konnte ich den Kopf nicht weit genug drehen. Aber zum Kämpfen war keiner von uns in der Lage. Keiner konnte sich unter dem schrecklichen Druck des gebündelten Willens des Roten Königs und seiner Herren der äußeren Finsternis auch nur bewegen.
„Unverschämtes Tier“, fuhr der Rote König mich an. „Stirb grauenvoll und unter Schmerzen!“ Er packte den nächststehenden Jaguar-Krieger beim Fell, zog ihn nahe zu sich heran, als sei der ein kleines Kind. „Muss ich mich endlos wiederholen?“, wütete er, wobei er dem Krieger sein blutverschmiertes Messer in die Hände drückte. „Pack das Kind auf den Altar und töte es
46. Kapitel
T ypen wie der Rote König wussten einfach nicht, wann sie lieber die Klappe halten sollten.
Die Hand zu heben kostete mich mehr als alles andere, was ich in dieser Nacht geleistet hatte. Sie zitterte heftig, als es mir endlich gelang, sie die fünfzehn Zentimeter bis zum Schädel im Stoffsack an meiner Hüfte zu bewegen.
„Bob!“Mein Schrei erklang nur in meinem Kopf – so hätte ich auch mit Hilfe von Ebenezars Sprechstein kommuniziert.
„Scheiße!“, antwortete der Schädel. „Hör auf zu kreischen, ich bin hier.“
„Ich brauche einen Schild, um mich gegen seinen Willen abzuschirmen. Ich glaube, es ist ein spiritueller Angriff, dagegen müsste ein Geist doch was unternehmen können.“
„Klar, Boss. Aber von hier aus schon mal nicht.“
„Du hast meine Erlaubnis, den Schädel zu diesem Zweck zu verlassen“, dachte ich verzweifelt.
In den Augenhöhlen des Schädels flammte orangerotes Licht auf. Gleich darauf floss eine Wolke aus glühender Energie aus den Augen und stieg auf, um sich über meinem Kopf zu sammeln. Warmes Licht strahlte in meine unmittelbare Umgebung.
„Das ist von mir, Shorty“, hörte ich Bob Sekunden später denken.
Der Wille des Königs schaffte es nicht mehr, mich niederzudrücken, und der Schmerz ließ sich von einer erregenden, eisigen Kälte vertreiben, die meine Nerven vor Energie kribbeln ließ. Von der schweren Last befreit, biss ich die Zähne zusammen und warf meinen Willen gegen den des Königs. Ich war ein Kind, das es mit einem professionellen Gewichtheber aufzunehmen versuchte, aber die letzte Bemerkung des Königs schaffte es, mich all meine Kräfte zusammennehmen zu lassen. So kam ich doch tatsächlich wieder auf die Beine.
Was dem König natürlich nicht entging: Er wandte mir das vor Wut und Verachtung verzerrte Gesicht zu und streckte beide Hände nach mir aus. Sofort nahm der furchtbare Druck wieder zu, schien sich sogar verdoppeln zu wollen. „Nieder mit dir, Sterblicher“, hörte ich den König mit klarer, verständlicher Stimme rufen.
Langsam und unter großen Mühen schleppte ich mich zu meinen Freunden. Ein Schritt, dann noch einer. „Leck mich am Arsch, Wichser“, zischte ich durch zusammengebissene Zähne.
Ich legte Murphy die linke Hand auf die Schulter.
Deren Hand hatte es schon fast bis zum Schwert auf ihrem Rücken geschafft, und als sich bei meiner Berührung ihre Aura mit meiner mischte, breitete sich Bobs Gegenzauber auch über Murphy aus. Ich spürte ihren eisernen Willen, der unter keinen Umständen bereit war, sich der Kraft, gegen die wir angetreten waren, zu beugen. Mochte sie auch noch so übermächtig und unsterblich daherkommen. Jetzt lag ihre Hand auch schon auf dem Knauf Fidelacchius’, und sie konnte das Katana aus der schlichten Scheide ziehen.
Noch nie hatte dieses Stadion so blendend weißes Licht gesehen wie das, das sich aus der Klinge dieses Schwertes ergoss. Ich musste unwillkürlich an die Kristallebene denken, durch die wir auf dem Herweg gekommen waren. Um uns herum erhob sich lautes Schmerzensgeheul, das Murphys silbern klingende Stimme jedoch sofort übertönte, die sich weit über das Stadion hinaus erhob, um von den Himmelsgewölben widerzuhallen.
„Falsche Götter!“, rief sie dem Roten König und den Herren der äußeren Finsternis mit blitzenden Augen entgegen. „Lügner! Die ihr die Wahrheit geraubt habt, den Glauben zerrüttet, Frauen, Kindern, Familien das Leben gestohlen! Eure Zeit ist gekommen. Ihr werdet euch für eure Verbrechen gegen die Maya, gegen die Völker der Welt
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