Wandel
kann.“
„Spione? Ich bin ziemlich sicher, Priester der römisch-katholischen Kirche beschäftigen keine Spione. Viel zu kurzlebig und trendig. Wie Autos oder die Druckerpresse.“
Molly nahm keinen der Fehdehandschuhe auf, die ich ihr mit meinen Kommentaren hinwarf, verzichtete auf jegliche Retourkutsche. Sie befand sich in einem Konflikt, was ihr Verhältnis zur Kirche betraf, war sich nicht im Klaren, wie sie zu dieser Institution stand. Meiner Meinung nach war das total richtig und angemessen: Wer Fragen stellte und über seinen Glauben nachdachte, lief einerseits nicht gleich blind jedem Dogma nach, wich aber, hatte er seinen Weg erst einmal gefunden, auch nicht so schnell wieder davon ab. Gott – auf welchen Namen er im Moment auch hören mochte – hatte bestimmt keine Probleme mit Fragen von Menschen, die ernsthaft nach Antworten suchten. Vielleicht war ihm das sogar sehr recht, was wusste ich denn.
„Harry“, sagte sie. „Wir könnten mit meinem Vater reden.“
„Kommt nicht in Frage. Dein Vater steht ganz und gar nicht zur Debatte.“
„Vielleicht sollte er aber zur Debatte stehen. Vielleicht kann er dir helfen, Maggie zu finden.“
Ich spürte einen heftigen Stich, als Zorn und Schmerz mich durchzuckten – eine lebhafte Erinnerung. Michael Carpenter, Ritter des Schwertes und unermüdlicher Freund, war schwer verwundet worden, als er versucht hatte, mir bei einem meiner Fälle zu helfen. Michael war ein Bollwerk gegen die sehr realen Kräfte des Bösen in der Welt gewesen, gegen die er mutig mit einem Schwert angetreten war, das er von einem Erzengel erhalten hatte. Ein Schwert, in das einer der Nägel des Kreuzes eingearbeitet war, an das man Jesus genagelt hatte. Michael an meiner Seite zu wissen war immer außerordentlich wohltuend gewesen. Wir hatten uns zusammen in alle möglichen Gefahren begeben und waren stets heil wieder herausgekommen, auch wenn eigentlich alles dagegen gesprochen hatte.
Bis auf das letzte Mal.
Jetzt ging Michael am Stock. Den Kampf gegen das Böse hatte er an den Nagel hängen müssen. Er baute Häuser und war für seine Familie da. Wie er es eigentlich immer gewollt hatte. Wenn ich es richtig sah, verfügte er über ein gewisses Maß an Immunität gegen die übernatürlichen Kräfte des Bösen – solange er so zurückgezogen lebte. Es hätte mich nicht überrascht zu hören, dass ihm und seiner Familie Tag und Nacht ein Schutzengel zur Seite stand. Wie beim Geheimdienst, nur kamen hier Schwerter, Flügel und Heiligenscheine zum Einsatz.
„Nein!“, wiederholte ich energisch. „Dein Vater ist raus aus allen Auseinandersetzungen, und das hat er auch verdient. Wenn ich ihn um Hilfe bitte, wird er mir helfen, das weiß ich genau. Nur entscheidet er sich damit auch, zukünftig mit den Konsequenzen zu leben, und er kann sich und seine Familie nicht mehr vor diesen Konsequenzen schützen.“
Molly holte sehr tief Luft und nickte dann, den besorgten Blick unverwandt auf die Straße gerichtet. „Ja“, sagte sie. „Gut . Es ist nur …“
„Ja?“
„Ich glaube, ich bin es einfach gewohnt, dass mein Vater da ist, dass er da ist und schon helfen wird, wenn ich ihn brauche. Ich glaube, sowas ist einfach immer bei mir im Hinterkopf: Er wird auftauchen und für mich da sein, wenn es irgendwann mal extrem schlimm kommt.“
Was sollte ich dazu sagen? Ich war noch sehr klein gewesen, als mein Vater starb, zu jung, um gelernt zu haben, dass es Sachen gab, die stärker waren als er. Seitdem hatte ich ohne dieses sichere Wissen um eine starke Hand in meinem Rücken leben müssen. Molly lernte erst jetzt nach und nach, dass sie in manchen Dingen auf sich allein gestellt war.
Wusste meine Tochter überhaupt, dass sie einen Vater hatte? Wusste sie, dass es jemanden gab, der sich verzweifelt danach sehnte, für sie da zu sein, wenn sie ihn brauchte?
„Solltest du irgendwann mal eine eigene Wohnung haben und dich nervt ein verstopfter Abfluss, wird Michael nach wie vor für dich da sein“, sagte ich leise. „Wenn dir ein Typ das Herz bricht, wird er mit Eis und Torte vorbeikommen. So einen Vater haben viele Menschen nie gehabt, und darum geht es doch die meiste Zeit.“
Molly blinzelte ein paarmal. „Ja, klar, aber …“
Sie brauchte nicht weiterzureden, ich verstand sie auch so. Manchmal sehnte man sich nach jemandem, der die Tür eintrat und ernsthaft Schläge austeilte, und wenn man sich nach so jemandem sehnte, dann braucht man ihn wirklich. Aber Türen
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