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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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ist, unter anderem Methan und Kohlenmonoxid. Mit einer Lichtquelle riskiert man eine Explosion.“
    Susan hob die Brauen. „Was ist mit deinem Amulett?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Dessen Licht ist eigentlich … nee, das führt jetzt zu weit. Ist kompliziert, und ihr braucht es auch nicht zu verstehen. Nur Folgendes: Ich habe das dumpfe Gefühl, es könnte die kleine, winzigkleine Möglichkeit bestehen, dass auch das Licht in meinem Amulett die Gase hochgehen lässt. Wie bei dieser statischen Elektrizität, vor der man auf Tankstellenhinweisen immer gewarnt wird. Warum ein Risiko eingehen?“
    „Aha!“, sagte Susan. „Wir tappen also blind durch einen mit Giftgas gefüllten Tunnel, und ein Fünkchen genügt, damit wir hochgehen?”
    „Du hast es kapiert.“
    „Das hältst du für einen guten Plan?“
    „Es ist ein grauenhafter Plan“, gab ich zu. „Aber dieser Tunnel führt nun mal auf dem schnellsten Weg zum Lagerhaus.“ Während wir uns dem Ausgangspunkt des Weges, einem alten, zugemauerten Eingang im Erdgeschoss eines Wohnhauses, näherten, strich ich mit den Fingerspitzen über den roten Stein in meinem Amulett.
    Sofort sprach eine leise Stimme zu mir, eine schroffe, heisere Frauenstimme. Die Stimme meiner Mutter. Meine Mutter war kurz nach meiner Geburt gestorben, aber ich war so sicher, wie ich es kaum je im Leben gewesen war, dass ich hier ihre Stimme hörte. Beim Zuhören wurde mir ganz warm zumute, so wie man sich fühlt, wenn man ein altes Lieblingslied vorgespielt bekommt, das man seit Jahren nicht mehr gehört hat.
    „Der Gang auf der anderen Seite enthält gefährliche Mengen an Methan, Kohlenmonoxid und weiteren Gasen. Das Gemisch scheint zu wechseln. Es ist unberechenbar, und auf der anderen Seite kann man sich nie sicher sein, welche Energien Explosionen auslösen oder auch nicht. Bis zum Ende des Tunnels sind es zweiundvierzig Schritte. Man kommt auf einem Berggrat außerhalb von Corwin, Nebraska, heraus.“ Nach einem Augenblick Stille fuhr dieselbe Stimme leicht atemlos und zittrig fort: „Anmerkung: Der Tunnel ist nicht gänzlich verlassen. Etwas hat versucht, mich zu packen, als ich durchkam.“ Die Stimme hustete mehrfach. „Zweite Anmerkung: an mich selbst: Wenn du das nächste Mal nach Corwin willst, sei schlau und zieh dir kein Kleid an. Irgendein Farmer da draußen kriegt gleich ordentlich was zu glotzen.“
    „Vielleicht war es ein Schauder“, flüsterte ich lächelnd.
    „Was hast du gesagt?“, fragte Susan.
    „Nichts. Ist egal.“ Ich legte eine Hand an den Durchgang und spürte sofort, dass das Mauerwerk an dieser Stelle elastisch war, unter meinen Fingerspitzen nachgab. Die Trennlinie zwischen der Welt des Fleisches und der des Geistes war an dieser Stelle sehr dünn. Ich holte tief Luft, hielt eine entsprechende Willensanstrengung parat und murmelte: „Aparturum.“
    Von meiner Handfläche breitete sich ein dunkler Kreis aus, der rasch anschwoll, bis er sich über die gesamte Mauer gelegt hatte. Zu groß wollte ich ihn nicht werden lassen, denn obwohl sich solche Öffnungen früher oder später von allein schlossen, ging das bei kleineren Toren schneller, und ich wollte vermeiden, dass irgendein armer Depp aus Versehen hier durchging.
    „Susan, halt dich an meinem Mantel fest. Martin hält sich an Susans Anorak fest. So: Jetzt alle tief Luft holen und dann durch, so schnell es geht.“
    Ich holte tief Luft und tat den ersten Schritt.
    Mutters Edelstein hatte nie erwähnt, wie verdammt heiß es in diesem Tunnel war. Bei meiner ersten Reise hatte ich mich gefühlt wie in einer dreifachen Sauna: drei Saunen ineinandergeschachtelt wie diese russischen Puppen, und ich mitten drin. Nachdem ich mit den Fingerspitzen die rechte Tunnelwand ertastet hatte, lief ich los, mit nicht ganz so ausgreifenden Schritten wie sonst, da ich ja mitzählen musste und meine Schritte ungefähr so lang halten wollte, wie die meiner Mutter es gewesen waren. Das gelang mir diesmal besser als beim ersten Mal: Schritt dreiundvierzig trug mich ans Ende des Tunnels.
    Noch eine kleine Willensanstrengung, noch ein gemurmeltes Wort, und ich hatte auch dieses Tor geöffnet und konnte in die kalte Bergluft hinaustreten. Draußen herrschte bereits tiefe Dämmerung. Dicht hinter mir traten Susan und Martin ins Freie. Alle drei stießen wir erst einmal befreit die Luft aus, die wir so lange hatten anhalten müssen, und atmeten tief durch. Wir standen auf einem Gipfel im Ödland, um uns herum ein

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