Wandel
„Ach. Ich habe geträumt …“
„Ja?“
„Ich habe geträumt, der Fluch sei von mir genommen und ich wieder ein Mensch.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte, mit demTraum wäre ich langsam durch. Martin?“
„Hier“, nuschelte Martin. „Mir geht es gut.“
„Aber vielleicht nicht mehr lange“, sagte ich. „Die Schutzzeichen der Wohnung sind außer Kraft. Wir sitzen hier praktisch nackt.“
„Na prima. Wohin das führt, haben wir ja gerade erleben dürfen.“ Martin schien wenig begeistert.
Susan verdrehte die Augen. Aber der Blick, den sie mir zusammen mit einem winzigen Lächeln zuwarf, war eindeutig: Dieser Martin nervte.
Wie sich das anfühlte? Ziemlich gut, wenn ich das mal so sagen darf.
„Habt ihr rausfinden können, wer hinter uns herspioniert?“, fragte ich.
„Alle und ihr Bruder, wie es aussieht. Drei verschiedene Detekteien, alle aus Chicago“, antwortete Martin. „Sie wurden im Voraus bar bezahlt, um sich gleich nach unserer Ankunft an unsere Fersen zu heften. Die Auftraggeberin wurde von allen Detektiven anders beschrieben, aber eins hatten die Beschreibungen gemein: Die Frau war zu schön, um wahr zu sein.“
„Arianna?“
Martin nickte. „Wahrscheinlich. Uralte Vampire können ihre Fleischmasken ganz nach Belieben gestalten und in deren Schutz sogar bei Tageslicht draußen rumlaufen.“
Ich zog die Brauen hoch: Diese Info war mir neu. Ob die Wächter das wussten? Höchstwahrscheinlich nicht. Martin hatte sich verplappert, war wohl noch benommen von seinem Mittagsschläfchen. Sonst wäre ihm das nicht passiert.
„Wie lange waren wir weg?“, wollte Susan wissen.
„Ich kam vor gut fünf Stunden. Inzwischen ist die Sonne untergegangen.“
Susan schloss einen Moment lang die Augen, als müsste sie sich gegen irgendetwas wappnen. „Gut“, sagte sie dann. „Martin und ich müssen dringend los.“
„Wohin?“, fragte ich.
„Zum Flughafen“, sagte Martin. „Wenn wir uns beeilen, sind wir heute Nacht, spätestens morgen früh in Nevada, können zum Lagerhaus rausfahren und nach weiteren Informationen suchen.“
„Wir haben das besprochen, Harry“, sagte Susan leise. „Du kannst nicht fliegen, und hier geht es um jede Minute. Mit dem Flieger sind wir in ungefähr sieben Stunden da, mit dem Auto brauchen wir zwei Tage. Dafür haben wir keine Zeit.“
„Sehe ich auch so.“
Martin stand mit knackenden Gelenken auf und reckte sich. „Um ins Lagerhaus zu kommen, müssen wir erst einmal Erkundigungen einholen, auch das nimmt Zeit in Anspruch. Wir müssen feststellen, wo die Schwachstellen sind, wie oft die Wachleute ihre Runden drehen und so weiter, ehe wir …“
Ich unterbrach ihn, indem ich ein Blatt Notizpapier auf den Tisch knallte. „Das Lagerhaus ist in einen Berg eingelassen. Davor befindet sich ein mit einem drei Meter achtzig hohen Stacheldrahtzaun gesichertes Gebiet, auf dem ein paar bewegliche Lagereinheiten untergebracht sind. Eine Straße führt zum Berg und dort höchstwahrscheinlich in eine Höhle, die entweder speziell als Lagerraum geschaffen wurde oder zu einer stillgelegten Mine gehört.“ Ich untermalte meine Erklärungen, indem ich immer mal wieder auf den einen oder anderen Punkt auf meiner Skizze wies.
„Draußen gibt es einen einzelnen Wachturm mit einem Wachmann, der ein langläufiges Sturmgewehr mit großer Reichweite trägt. Eine Zweierpatrouille mit Hund läuft außen den Zaun ab, die Männer sind mit diesen kleinen Sturmgewehren bewaffnet, diesen …“
„Karabinern!“, meldete sich Molly munter aus der Küche.
„... und haben zudem Splittergranaten dabei. Sie lassen sich Zeit mit ihren Runden, brauchen jeweils gut zwanzig Minuten. Dann gehen sie ins Wächterhäuschen, trinken etwas und kommen wieder heraus. Hier, hier und hier sind Überwachungskameras angebracht, und auf dem Angestelltenparkplatz stehen ziemlich viele Fahrzeuge. Ich vermute, dass der Teil der Anlage, der sich im Untergrund befindet, ziemlich groß ist und sich dort wahrscheinlich auch eine Baracke für das Sicherheitspersonal befindet.“
Ich nickte, die Augen weiterhin auf meine Skizze geheftet. „Das war ’ s erstmal, was die Anlage an der Oberfläche angeht. Einfach reingehen und sich umsehen geht nicht. Mir scheint die Sache ziemlich klar: Wir nähern uns der Anlage im Schutz eines Schleiers. Ich lege die Kommunikationssysteme lahm. Wir sorgen für eine Ablenkung, damit die Verstärkung aus dem Berg herausgelaufen kommt, und wenn alle schön
Weitere Kostenlose Bücher