Wanderer im Universum
Lippen, so daß Don seine weißen Reißzähne sehen konnte, und wiederholte seine Aufforderung: »Komm!«
Ohne zu überlegen und ohne wirklich zu wissen, was er tat, bewegte Don sich wie in einem Traum auf das seltsame Wesen zu. Als er nur noch zwei Meter von ihm entfernt war, nickte der Tiger zweimal, woraufhin der Boden unter seinen Füßen nachgab, so daß er mit Don in das Innere des Wanderers sank. Das Wesen trat einen Schritt nach vorn, bis seine ausgestreckte Pfote leicht auf Dons Schulter lag. Don dachte in diesem Augenblick unwillkürlich an Doktor Faust, der sich von Mephisto in die Hölle hatte führen lassen. Mit Hilfe seiner magischen Spiegel hatte Mephisto dem Doktor Faust alles gezeigt, was dieser sehen wollte. Aber welche Zaubervorrichtung konnte das dazugehörige Verständnis vermitteln?
Don Merriam und der Tiger waren eben erst knietief im Boden versunken, als es am Himmel plötzlich aufblitzte. Einen Augenblick später hingen zwei Untertassen über dem ›Baba Yaga‹ – und ein kleines Schiff, das Dons so ähnlich war, daß er zuerst an Dufresne dachte. Aber dann erkannte er die geringfügigen äußeren Unterschiede und sah den Sowjetstern an der Seite.
Seine Beobachtungen wurden unterbrochen, als die Plattform langsam und gleichmäßig versank.
20
Während nur sehr wenige Menschen unmittelbar mit dem Wanderer und seinen Bewohnern in Berührung kamen, was ihnen je nach Veranlagung als spannend oder erschreckend erschien, und während eine etwas größere Zahl die Ursachen seines plötzlichen Erscheinens wissenschaftlich zu ergründen versuchte, kannte der überwiegende Teil der Menschheit den neuen Planeten nur durch Beobachtungen am Nachthimmel und die Zerstörungen, die er überall anrichtete. Die erste Rate der Verwüstungen bestand aus Vulkanausbrüchen und Erdbebenstößen. Die hohe Anziehungskraft des Wanderers wirkte sich zunächst vor allem auf die Erdkruste aus, in der sich Veränderungen dieser Art rascher als in den Wassermassen der Erde fortpflanzen.
Schon sechs Stunden nach dem Erscheinen des Wanderers war es bereits zu heftigen Beben in den traditionell gefährdeten Gebieten um den Pazifik und entlang des Mittelmeeres bis in das Herz Asiens gekommen. Das Land erzitterte; Häuser wurden wie Spielzeug durcheinander geworfen und zerstört. Vulkane, die seit Jahrhunderten nicht mehr aktiv gewesen waren, spuckten plötzlich wieder rotglühende Lavaströme aus. Zwischen Alaska und der Antarktis kam es zu Hunderten von Erdbebenstößen, die teilweise unter Wasser begannen. Riesige Flutwellen wälzten sich über die Weltmeere und verwandelten sich in alles zerstörende Springfluten, sobald sie Küsten erreichten, hinter denen das Land nur flach anstieg. Hunderttausende starben.
Trotzdem gab es noch viele Gebiete – selbst in Meeresnähe –, wo alle diese Zerstörungen und Verwüstungen nur Gerüchte oder eine Schlagzeile in den Zeitungen waren. Oder vielleicht eine Stimme im Radio, bevor der Wanderer über dem Horizont aufstieg und sämtliche Funkverbindungen nachhaltig störte.
Die zweite und größere Rate der Zerstörungen, an denen der Wanderer schuld war, wurde durch die Meere verursacht, die fast drei Viertel der Erdoberfläche bedecken. Diese Wasserschicht mag unbedeutend erscheinen, wenn man sie nach kosmischen Maßstäben mißt, aber für die Menschen ist sie seit Urzeiten fast unendlich weit, tief und mächtig gewesen. Und sie hat immer ihre Götter gehabt: Dagon, Nun, Nodens, Ran, Rigi Neptun, Poseidon. Und die Musik des Meeres sind die Gezeiten.
Die Harfe der Meere, die von der Mondgöttin Diana gespielt wird, ist mit Saiten aus Salzwasser bespannt, die einige Kilometer dick, Hunderte von Kilometern breit und Tausende von Kilometern lang sind.
Über die großen Wasserflächen des Stillen und des Indischen Ozeans erstrecken sich die Baßsaiten: von den Philippinen nach Chile, von Alaska nach Kolumbien, von der Antarktis nach Kalifornien, von Arabien nach Australien, von Basutoland nach Tasmanien. Hier werden die tieferen Töne angeschlagen; manche Vibrationen halten einen ganzen Tag lang an.
Der Atlantik ist für die mittlere Stimmlage verantwortlich. Hier ist das Tempo rascher und gleichmäßiger; das Halbtagsintervall ist die Regel, so daß die Gezeiten einander etwa alle sechs Stunden abwechseln. Die wichtigsten Saiten verbinden Neufundland mit Brasilien, Grönland mit Spanien, Südafrika mit der Antarktis.
Wo die Saiten einander kreuzen, dämpfen die
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