Wanderer zwischen drei Ewigkeiten
dann machen wir Schluß für heute“, gab der Professor bekannt. „Dort vorn in der Ebene erhebt sich eine hohe Felseninsel. Ich möchte sie besichtigen.“
Dillinger beobachtete den fast quadratischen Brocken durch den Feldstecher. Wuchtig und herausfordernd lag er da, als beherrsche er das ganze Gebiet bis zu den nahen Anden, deren schneebedeckte Gipfel am Horizont förmlich in der Luft zu schweben schienen. Er war kahl und verriet einen schweren Aufstieg, doch seine Oberfläche, vielleicht zweihundert Meter über der Ebene, war mit Wald bedeckt.
„Was hoffen Sie dort zu finden?“ fragte der Assistent.
Einen Augenblick zögerte Holzmann, dann sagte er.
„Wenn es hier jemals ein höher entwickeltes Volk gegeben hat, so auf einer dieser merkwürdigen Felseninseln. Das war für sie der beste und natürlichste Schutz gegen ihre Feinde. Und jene Insel dort scheint mir die größte zu sein, der wir bisher begegneten. Mein Entschluß steht fest: ich möchte sie besichtigen!“
Wally betrachtete die Felseninsel durch den Feldstecher. Ihre Augen leuchteten.
„Ich scheue die Anstrengung nicht, da hinaufzuklettern“, sagte sie begeistert. „Wer weiß, was wir alles entdecken werden …“
„Urwald – was denn sonst?“ wunderte sich Dillinger. „Ich bin schon recht froh, wenn wir keinem Indianer begegnen.“
„Aber das, was sie hinterließen, interessiert uns doch“, warf Wally ein. „Vater ist Forscher, das vergessen Sie wohl?“
Dillinger mochte einsehen, daß er einen Fehler beging. Also beschwichtigte er schnell:
„So habe ich’s nicht gemeint, Wally. Natürlich bin ich mit von der Partie, wenn wir das Bergelchen besteigen. Nehmen wir die Indios mit?“
„Nein, das ist nicht notwendig. Die sollen das Boot bewachen“, erklärte der Professor. „Wenn wir uns unsere Waffen mitnehmen, besteht kaum eine Gefahr. Ich glaube nicht, daß wir Menschen begegnen werden, obwohl doch hier das Klima erträglich scheint.“
Nach drei Stunden eintöniger Flußfahrt erreichte man einen Bach, der aus der Inselrichtung kam und in den größeren Fluß mündete. Man fuhr ihn einige Kilometer hinauf, dann wurde das Wasser zu seicht.
In einer kleinen Bucht ging man vor Anker und errichtete das Lager.
Dillinger äußerte Zweifel.
„Ist es für die Landexpedition nicht bereits zu spät? Der Fluß des Tafelberges liegt gut zwei Kilometer entfernt, wir würden also in einer halben Stunde dort ankommen. Aber der Aufstieg scheint schwierig zu sein. Heute schaffen wir das nicht mehr vor Dunkelwerden, wenigstens dann nicht, wenn wir den Rückweg einbeziehen.“
„Wir werden oben übernachten“, entschied der Professor, den ein heiliger Eifer gepackt hatte. „Dann haben wir morgen den ganzen Tag zur Verfügung, das Plateau zu erforschen. Würden wir erst morgen aufbrechen, bliebe uns nur der halbe.“
Dillinger fügte sich schweigend.
Eine Viertelstunde später marschierten sie los.
*
Eine Stunde vor Beginn der Dämmerung erreichten sie heil und gesund nach verhältnismäßig leichtem Aufstieg das Plateau.
Der Blick auf die Ebene, bis hinab zu den Niederungen des Amazonas, war überwältigend. Ein leichtes Flimmern verriet noch die Hitze, die über dem Lande lagerte, und der Dunst über dem Dschungel des Amazonas ließ die fiebergeschwängerte Luft ahnen. Hier oben dagegen wehte ein kühler und frischer Wind.
Dicht am steil abfallenden Rand des Plateaus begann bereits der Wald, nicht so dicht wie am Amazonas, aber dichter als drunten in der Ebene. Natürliche Wildpfade führten in ihn hinein und forderten zu einem Spaziergang auf.
„Gehen wir gleich los?“ wollte Dillinger wissen.
Der Professor sah sich suchend um. „Wir müssen diese Stelle wiederfinden, und ich halte es nicht für ratsam, daß wir uns trennen. Wir können irgendwo im Wald übernachten und morgen zurückkehren. Dort der Doppelbaum kann als Erkennungszeichen dienen, er ist unverkennbar. Mit Hilfe des Kompasses dürfte es leicht sein. Also – worauf warten wir noch?“
Der Marsch war leichter als vermutet. Nur geringes Unterholz erschwerte das Weiterkommen, der Boden war trocken und nur hier und da mußten sie einen schmalen Bach überqueren.
Allmählich wurde es dämmerig und in wenigen Minuten würde es dunkel sein. Da sich jedoch der Wald zu lichten begann, beschloß man, noch einige hundert Meter weiter zu gehen, um so vielleicht eine freie Stelle für das Lagerfeuer zu finden.
Sie erreichten den Waldrand und somit eine
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