Wandernde Welten
nickte: »Ich nenne sie Roland, weil sie überall mitmischen muß.« Er ging in die Küche. Paula hörte das Zischen des automatischen Spülers.
Sie nahm eine Dusche. Als sie sich abtrocknete, erschien Bunker in der offenen Tür, die Broschüre in der Hand. »Was ist das?« fragte er.
»Overwood hat sie mir gegeben. Angeblich stammt sie von der Sonnenlicht-Liga.« Sie hängte das nasse Handtuch an den Türgriff. »Einiges von dem, das darin steht, ist wahr.« Sie blickte in den Spiegel. Kleine Wassertropfen glänzten in ihrem kupferfarbenen Haar. Sie ging ins Schlafzimmer.
»Das linke Bett ist meins«, rief er ihr nach.
Sie zog die Tagesdecke von dem rechten Bett und legte sich hin. Sie fühlte sich plötzlich müde und schloß die Augen. Die mit flüssigem Schlamm gefüllte Matratze war weich und warm. Bunker trat herein, die Broschüre in der Hand.
»Hören Sie sich das an: Die Stythen sind unfähig für jede Kultur, genau wie alle dunkelhäutigen Rassen. Die Städte auf Uranus wurden von irdischen Technikern der Prä-Contentionsperiode erbaut. Die meisten Raumschiffe der Stythen, zumindest 75 Prozent, sind marsianischen Ursprungs.« Er wedelte mit der Broschüre. »Nach Stil und Syntax zu urteilen, kann es mit den Leuten der Sonnenlicht-Liga nicht weit her sein.«
»Was ist die Prä-Contentionsperiode?«
»Ich glaube, sie meinen das frühere Drei-Planeten-Imperium«, antwortete er.
Das Schlammbett gab weich nach, als sie sich auf die Seite drehte. Bunker legte sich in das andere Bett. Sie gähnte müde.
Kary öffnete die Weinflasche und stand stöhnend auf. Der Stuhl war ihm zu unbequem, und er hockte sich auf den Boden. Er nahm einen Schluck aus der Flasche, sah sich um und trank noch einmal.
»Hübsch haben Sie es hier.«
»Danke für das Kompliment. Im Namen des Lenin-Hotels. Würden Sie bitte Stythisch sprechen? Ich brauche etwas Übung.«
Paula setzte sich auf einen der hochlehnigen Stühle. »Was heißt Ybix?«
»Ybix.« Er stellte die Flasche auf den Boden, ließ sie jedoch nicht los. Mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand formte er dann einen Kreis. »So was«, sagte er. »Ein kleiner, runder Fisch. Er beißt.«
»Und was ist Kundra?«
»Zauberer, Hexe.«
»Ein Mann?« Das > A< war eine maskuline Endung.
Kary schüttelte den Kopf. »Alle Hexen sind Frauen.«
»Wie sind Sie auf die Erde gekommen? Nach dem Gefecht in Vribulo?«
Wieder das Kopfschütteln. »Ich bin abgehauen. Ein paar Freunde von mir haben eine Ladung Kristalle nach den Trojanischen Asteroiden geschmuggelt. Ein paar von uns sind einfach weitergeflogen, tiefer ins Sonnensystem hinein. Einfach so, aus Neugier. Auf dem Mars haben wir Ärger bekommen. Weil es auf dem Scheiß-Mars ein Verbrechen ist, die falsche Hautfarbe zu haben.«
Er hob wieder die Flasche und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Als sie mich entlassen haben, wollten sie wissen, wohin ich gehen wollte, und da habe ich gesagt, zur Erde. Weil ich gehört habe, daß es hier keine Polizei gibt. Und seitdem bin ich hier.«
»Haben Sie auch hier Schwierigkeiten gehabt?«
»Überhaupt nicht. Ich bin vorsichtig geworden. Es hat ohnehin keinen Sinn, sich mit den Anarchisten anzulegen. Man ist am Ende doch immer der Dumme.«
Bunker trat ins Zimmer und brachte eine zweite Flasche Wein mit. Sie arbeiteten den ganzen Vormittag über mit Kary. Er trank drei Flaschen Rotwein, aß etwas von Bunkers Stew, lehrte sie ein stythisches Kinderlied und erzählte aus seinem Leben. Er war seit mindestens fünfundzwanzig Jahren auf der Erde. Er konnte sich an die Aufstände der dreißiger Jahre erinnern, an die Wasserra-tionierung, und an Noah Mataki, der bis 1829 Mitglied des Komitees gewesen war.
Kary erzählte ihnen, daß die ersten Stythen von den Frauen der früheren Uranus-Kolonisten geboren worden seien. Die Mond-leute nannte er sie, >weil sie den Planeten verließen und auf seine Monde übersiedelten, als die fremdartigen Kinder geboren wurden< Aber sie schickten die Stythen auf die Kristallfarmen und hielten sie wie Sklaven, und wenn ein Stythe sich widersetzte, wurde er von den Mond-Leuten gefangen und in Fesseln ausgesetzt, um ihn langsam verhungern zu lassen.
Er trank noch eine Flasche Wein. Mitten in einem langen, traurigen Monolog über die Schönheiten der Stadt Vribulo kippte er zur Seite und schlief ein. Bunker ergriff ihn unter den Achseln, Paula nahm ihn bei den Füßen, und zusammen trugen sie ihn ins Schlafzimmer und legten ihn auf Paulas
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