Wanderungen durch die Mark Brandenburg
den 25. August 1815.
Mit dem unaussprechlichsten Vergnügen benachrichtige ich Dich, daß ich durch verschiedene Zufälle nach Paris gekommen bin. Hier wandt' ich mich sofort an den Grafen Anton Stollberg, und Prinz Wilhelm war so gnädig, mir den Urlaub, um den ich bat, ohne weiteres zu bewilligen. Ich bin also jetzt frei und hoffe noch vor dem 1. Oktober in Liebenberg zu sein. Jochen Schulz hab' ich leider nicht los machen können; er muß beim Regimente bleiben, bis alle Freiwilligen entlassen werden.
Hier in Paris ist jetzt alles viel ruhiger als im vorigen Jahre. Aus der Gemälde- beziehungsweise Antikengalerie sind schon viele Stücke weggenommen und eingepackt worden, besonders unsrerseits. Mir tut es leid, daß man die herrliche Sammlung zerstückelt. Es sind halbe Maßregeln. Wollte man diese Schätze den Franzosen nicht lassen, so mußte man alles fortschaffen und es an irgend einem andern zweckmäßigen Orte aufstellen. So schadet es nur der Kunst und bringt uns keinen Vorteil.
Es scheint fast, als ob den Parisern das Recht, über ihre Sieger zu lachen, nicht genommen werden kann. Unter dem Titel: ›Costumes des armées des alliés en 1814‹ verkaufen sie die leider nur zu passenden Karikaturen russischer, preußischer und englischer Offiziere. Vorzüglich schön haben sie den russo-preußischen Geschmack, also den, die Menschen in eine Wespe zu verwandeln, aufgefaßt. Ich denke einige der besten dieser Karikaturen mitzubringen.
Paris, den 13. September 1815.
Mein Aufenthalt hier hat sich gegen meinen Willen verzögert. Jetzt aber wo das Geld angekommen ist, gedenk' ich übermorgen, den 15., abzureisen. Aus und von Paris kann ich wenig Erfreuliches schreiben. Vor ein paar Tagen entstand im Palais Royal ein Streit zwischen französischen und alliierten Offizieren und Soldaten. Von seiten der Franzosen ließen sich hauptsächlich Schmähungen und Drohungen auf Preußen hören, obgleich der Zank eigentlich zwischen Engländern und Franzosen entsprungen war. Überhaupt ist der Haß der Franzosen gegen die Preußen aufs höchste gestiegen; Beleidigungen, die von seiten der Engländer, Russen und Österreicher ausgehen, werden diesen nicht angerechnet und auf die Preußen geschoben. Überhaupt scheint Preußen dem Schicksale ›gehaßt zu werden‹, nicht entgehen zu können. Doch darüber mündlich mehr.«
Mit diesen Zeilen vom 13. September schließen die Kriegs- und Reisebriefe von 1815.
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Zu Beginn des Oktobers war Karl von Hertefeld abermals in Berlin und nahm, wie das Jahr zuvor, seine sprach- und naturwissenschaftlichen Studien wieder auf. Aber auch diesmal oft unterbrochen, weil die mit jedem Tage mehr zutage tretende Schwäche des Vaters ihn allwöchentlich nach Liebenberg rief. Endlich, am 3. April 1816, erlag der Alte seiner langwierigen und schmerzhaften Krankheit, und der erst einundzwanzig Jahre alte Sohn übernahm die Güter. Ob selbständig oder zunächst noch unter Vormundschaft, ersehe ich nicht mit Bestimmtheit aus den schriftlichen Überlieferungen.
Diese werden überhaupt jetzt ärmer und kärglicher und gestatten uns sein Leben nur noch in den Hauptzügen zu verfolgen. Ich gebe daraus das Wichtigste.
Der große Besitz, der ihm zugefallen war, vergrößerte sich noch. 1819 starb der »tolle Vetter von Häsen«, 1830 »Onkel Wylich« und die Hinterlassenschaften beider ließen seine rheinischen und märkischen Güterkomplexe nicht unerheblich anwachsen.
Auch sein Barvermögen wuchs. Am 18. Juni 1821 (Jahrestag der Schlacht bei Belle-Alliance) erfolgte seine Vermählung mit Emilie Henriette Louise Mollard, einer reichen Erbin. Prediger Wilmsen von der Parochialkirche traute das junge Paar.
Einige Jahre später wurde Karl von Hertefeld, unter dem Titel »Ritterschaftsrat«, eines der leitenden Mitglieder des mittelmärkischen Kreditinstituts und fungierte 1839 als Vorsitzender bei der Versammlung der Deutschen Land- und Forstwirte zu Potsdam.
In noch voller Manneskraft traf ihn die Revolution von 1848, deren Prinzipien er, trotzdem er einem gemäßigten Liberalismus zuneigte, von Anfang an bekämpfte. Nicht nur war er der ersten einer, die, durch Beisteuerung bedeutender Mittel, die »Kreuzzeitung« ins Leben riefen, er schuf auch sieben Jahre später (1855) die »Berliner Revue«, die die seitdem immer einflußreicher gewordene Lehre proklamierte: »daß die sozialen Institutionen die politischen erzeugen und beherrschen.« 1863 trat er von der Revue zurück
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