Wanderungen durch die Mark Brandenburg
unterrichtet bin, an oberster Stelle zwar nicht durchweg befolgt, aber doch im einzelnen zu Rate gezogen wurden.
»Es deutet Verschiedenes darauf hin«, so schrieb er in einem dieser Promemorias, »daß es Absicht Seiner Majestät und der Staatsregierung ist, eine fundamentale Umgestaltung unserer jetzigen (1852) Ersten Kammer eintreten zu lassen. Es läßt sich auch mutmaßen, auf welche neue Grundlage hin die Umgestaltung erfolgen soll. Ihre zwei wichtigsten Punkte werden sein: 1) die jeweilige Ernennung durch Seine Majestät und 2) eine erst zu schaffende erbliche Pairie.
Gegen Beides unterhalt' ich Bedenken, und zwar
1) Gegen die Ernennung.
Ernannte Pairs entbehren der Kraft, dem Herrscher und der Staatsgesellschaft eine wirkliche Stütze zu sein. Dies läßt sich historisch nachweisen. Es fehlt eine stützende Kraft überall da, wo die historische Begründung fehlt. 1848 nahm die Februarrevolution von den auf Lebenszeit ernannten Pairs Louis Philipps so wenig Notiz, daß das souveräne Volk (das die Deputiertenkammer doch wenigstens der Ehre würdigte, sie durch Gewalt zu beseitigen) an dem Palais Luxemburg vorüberging. Es blieb unbestürmt. Es dachte niemand an die Pairs.
2) Gegen eine erst zu schaffende erbliche Pairie.
Eine erst zu schaffende ›erbliche Pairie‹ findet in Preußen zwei Hindernisse: a. die Ernennung von Pairs, die den Besitz haben, aber des historischen Hintergrundes vielleicht entbehren; b. die Nichternennung von Pairs, die den historischen Hintergrund haben, aber eines ausreichenden Großgrundbesitzes entbehren. Es muß das notwendig, und zwar ganz besonders in den Stammprovinzen der Monarchie, zur Verletzung der Rittergutsbesitzer und des in ihnen vertretenen altständischen Elements führen. Und nun dies ständische Element selbst! Es ist zwar durch eigene wie fremde Schuld tief gesunken, aber es steckt noch Lebenskraft darin und kann sich wieder erholen. Vergleicht man die jetzigen Rittergutsbesitzer mit ihren Vätern und Großvätern vor fünfzig Jahren, so bemerkt man, daß Güterschacher, Leichtsinn, Verschwendung und Bankrott damals viel häufiger waren als jetzt. Einzelne sind untergegangen, allein der Stand, der im Boden wurzelt, ist nicht vernichtet.«
»Ein anderer Übelstand (so fährt er fort) ist der, daß eine lediglich auf Grundbesitz basierte ›erbliche Pairie‹ den Geldkapitalbesitz ausschließt. Darin liegt aber eine Gefahr. Geldkapital ist unleugbar auch eine Macht, und diese Macht zur Opposition gegen ein neues Institut herauszufordern, will uns nicht ratsam erscheinen. Unter allen Umständen indes sind weder Grundbesitz noch Geldkapital daran gewöhnt, sich durch einige hervorragende Spitzen, die nur von obenher ernannt, aber nicht durch Nächstinteressierte gewählt wurden, für vertreten zu erachten. Im Gegenteil, der größere, nicht ernannte Teil würde sich gegen ein Institut wenden, durch das er sich erniedrigt glaubt. Sind diese Prämissen richtig, so folgt daraus, daß eine Wahl auch für eine Pairskammer nicht ganz auszuschließen ist.«
So weit Hertefeld. Auch über den Modus dieser Wahl verbreitet er sich im weiteren Verlauf seines Promemorias, und wünscht danach etwa neunzig Großgrundbesitzer und fünfundvierzig Großkapitalisten in der ersten Kammer zu sehen, von denen diese wie jene durch eine mindestens dreißigfache Zahl ihrer eigenen Gruppe gewählt sein müssen.
Es ist auf diese seine Vorschläge, wenigstens direkt, nicht eingegangen worden und, wie hinzugesetzt werden muß, glücklicherweise nicht. Er versah es nämlich in einem wichtigen Punkte, darin, daß er »Großgrundbesitz« und »historischen Hintergrund« als halbe, ja der Mehrzahl der Fälle nach als ganze Gegensätze faßte. Dieser Gegensatz fiel aber teils fort, teils wurde er umgangen.
Um es zu wiederholen, er drang nicht durch. Unter allen Umständen aber zeigen Denkschriften wie diese, mit welchem Ernst und welcher historischen Sachkenntnis er an die großen Tagesfragen herantrat. Und namentlich dies letztere verdient hervorgehoben zu werden. Er war von einer außerordentlichen Informiertheit, und so wenig glänzend sein erster Schulgang unter Magister Greifs Leitung gewesen sein mochte, so hervorragend war nichtsdestoweniger sein Wissen, ganz besonders die Menge seines Wissens. Er gehörte zu jenen Glücklichen, denen alles, was sie sehen und hören, auf immer im Gedächtnis bleibt. Außerdem aber war er von einer wahren Leseleidenschaft ergriffen, und nichts
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