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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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werden, daß die Gefahren einer sich zerbröckelnden Tischunterhaltung allezeit groß waren, und noch größer gewesen sein würden, wenn nicht das in Einzelexemplaren immer vertretene Zivilelement des nicht genug zu schätzenden Vorzugs genossen hätte, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit, über Gletscherbildung und Venusdurchgang, über Nordenskjöld und Stanley, des Ausführlicheren berichten und durch Aufwerfung irgendeiner »großen Frage« die nach links und rechts hin Ausgeschwärmten, wie durch Hornsignal um die Fahne her neu sammeln zu dürfen.
    Ein charakteristischer Zug des Prinzen war sein Approfondierungshang, worin er übrigens lediglich seiner auf die Realität der Dinge gestellten Natur folgte, der bloßer Schein, Oberflächlichkeit und Dilettantismus gleichmäßig verhaßt waren. Er prätendierte nicht Interessen zu haben, er hatte sie wirklich, und erwies sich jede Stunde von einem ernstesten Verlangen erfüllt, den Kreis seines Wissens und seiner Erfahrungen auszudehnen. Mit dieser Vorliebe für »Approfondierung«, ging, was zunächst wie Widerspruch wirkt, ein Präzisionshang, eine Vorliebe für Knappheit und Kürze Hand in Hand. Aber dieser Widerspruch war nur scheinbar. Ein echter Präzisionshang verlangt eben nur Knappheit im Ausdruck, nicht auch Knappheit im Stoff. Im Gegenteil, der Stoff und seine Fülle sollen gefördert, nicht beeinträchtigt werden. So wenigstens stellte sich der Prinz zu dieser Frage, Details waren ihm Bedürfnis und ich erinnere mich eines Falles, wo sich ein den Lapidarstil bis zum Verbrechen treibender Gast durch den Zuruf unterbrochen sah, »vergessen Sie nicht lieber Freund, daß der Reiz aller Erzählung in den Einzelheiten steckt.«
    Die Themata, die zur Verhandlung kamen, waren, wie nach diesem allem kaum noch versichert zu werden braucht, die mannigfachsten und gingen über die Welt. Am allerwenigsten beschränkten sie sich auf das Militärische. Dies trat vielmehr, in Fortsetzung der Traditionen von Rheinsberg und Sanssouci, vergleichsweise zurück, und machte Tagesfragen Platz, ohne die Tagespolitik zu berühren. Unvermeidliche Konsequenz der Stellung eines Prinzen, der sich durch Geltendmachung einer selbständigen, also doch gelegentlich auch abweichenden Meinung, anscheinend dahin gedrängt gesehen haben würde, wohin er sich nicht gedrängt sehen wollte: in die Reihen der Opposition. Was in England durchaus zulässig erscheint, verbietet sich in dem Königlichen Preußen, wo die Regierung nicht der ohne Gefährde zu wechselnde Schild des Königs, sondern der König der Schild der Regierung ist.
    Also nichts von Tagespolitik. Aber hundert andre Fragen traten heran, unter denen die Brandenburgica wenn nicht obenan standen, so doch einen Platz in erster Reihe behaupteten. Wie vieles erschien da, das flüchtig oder auch in eingehenderer Behandlung an mir vorüberzog: Otto mit dem Pfeil und der sagenreiche Werbellin; die beiden Waldemare (der echte wie der falsche); die Schlacht am Cremmer Damm und der Straßenkampf in Ketzer-Angermünde; Hussitenzeit und Pommernkämpfe; dazu Lücher und Brücher, Wendenkirchhöfe, versunkene Dörfer und Heideflächen.
    »Unter unsere zumindest gekannten Landesteile«, nahm der Prinz bei bestimmter Gelegenheit das Wort, »gehören auch Altmark und Priegnitz. Und doch würden sie lohnender sein für die Forschung, als das mehr durchforschte Land in der Nähe von Berlin und in den mittelmärkischen Kreisen überhaupt. Eine Spezialität der Altmark sind beispielsweise die wüstgewordenen Dörfer, die nicht, wie sonst wohl in der Mark, als Wüste-Woltersdorf, Wüste-Wulkow usw. fortleben, sondern ihren ehemaligen Namen einfach auf ein Forstrevier übertragen haben. Wo sonst Dorf war, steht jetzt Wald, der nun seinerseits, ohne jede weitere Zutat, den ehemaligen Ortsnamen führt. Im Letzlinger Forst finden sich mehrere solcher Stellen.«
    Und ein andermal hieß es: »Ich bin einigermaßen überrascht gewesen, von einer Abneigung zu hören, die seitens der regierenden Hohenzollern in bezug auf die Schwedter Markgrafen existiert haben soll. Ist dies zu begründen? Wo finden sich die Beweise?« Die Frage richtete sich an mich. Ich war aber nicht bloß der Gefragte, sondern auch der Verklagte, denn ich hatte irgendwo dergleichen versichert.
    Von den Schwedter Markgrafen war nur ein Schritt noch bis zum Großen Kurfürsten. »Ein Vorkommnis, das übersehen wird und doch vielleicht bemerkt zu werden verdient, ist das, daß der

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