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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Große-Kurfürstenkopf in unsrer Familie mehrfach wiederkehrt. Beim Prinzen August war es frappant, beim Prinzen Adalbert immer noch erkennbar.«
    Einer der Gäste machte den Versuch, Erscheinungen derart aus einer lang andauernden, oft durch Jahrhunderte gehenden Übereinstimmung äußrer und innrer Lebensbedingungen erklären zu wollen, »jedes Land schaffe sich seine Typen, ebenso jeder Beruf. Es habe Zeiten gegeben, wo sich alle Rittmeister in Preußen ähnlich gesehen hätten.«
    Ein Wort wie dieses konnte natürlich nicht fallen, ohne sofort allerlei Beispiele heraufzubeschwören. Anfangs lediglich illustrierungshalber. Aber es blieb nicht lange dabei. Der Punkt, von dem man ausgegangen war, wurde, wie gewöhnlich, rasch vergessen, und die märkisch-preußische Militäranekdote, nunmehr sich selber Zweck, hielt ihren Einzug.
    Einer entsinn ich mich, weil ein Bonmot des Prinzen sie gefällig abschloß.
    Ein junger Graf Solms war von den Potsdamer zu den Düsseldorfer Ulanen versetzt worden. Er machte die Fahrt im Postwagen und ließ sein Pferd mittraben, zwölf Meilen an manchem Tage. »Nimmt mich mehr für das Pferd ein, als für den Grafen« bemerkte der Prinz und sprach damit jedem aus der Seele.
    Soviel über Brandenburgica.
    Nebenher aber blühte das historische Gespräch überhaupt. Rom hatte den Vortritt und in Rom selbst wieder das Ausgrabungsgebiet. »Ausgrabungen« waren überhaupt eigentlichstes Lieblingsthema. Mitunter berührte mich's, als ob eine Philologenversammlung tage, mit Curtius an der Spitze. Palatin und Esquilin waren Alltags- und Haushaltworte, wie Blumeshof oder Magdeburgerplatz, und niemand war da, der nicht im Hause der Lydia so gut Bescheid gewußt hätte (wahrscheinlich aber besser) als im Jagdhause zu Dreilinden. Man stieg in Tunnel und Grüfte. Mehr als einmal wurde mit dem bekannten langen Stangenlicht in den Thermen des Titus umhergeleuchtet, und wenn es erlosch, erlosch es nur, um als Katakombenlampe wieder angezündet zu werden.
    Aber auch andere Fragen kamen zur Diskussion, oft von rein wissenschaftlicher Natur, aus deren Reihe mir eine ganz besonders imponierte: die »wo Cäsar, als er über den Rhein ging, seine Pfahlbrücke geschlagen habe?« Zwei Parteien bildeten sich sofort, von denen eine für Andernach, die andere für Xanten plädierte. Mommsen, wenn zugegen, hätte seine Freude daran haben müssen.
    Allerlei Namen und Notizen liegen mir noch vor, die damals von mir gemacht wurden, um mit Hilfe derselben eine stattgehabte Debatte rekonstruieren zu können. Und diese Rekonstruierung würde mir auch gelingen. Ich muß aber doch, um des Raumes willen, darauf verzichten, und mich auf Hervorhebung einzelner Gesprächsthemen beschränken. Und selbst hier wieder gebietet sich noch ein Sondern und Sichten. Ich wähle, als besonders charakteristisch, nur zwei: »Türkentum und Ägyptertum, und worin können wir (oder andere Zivilisationsstaaten) orientalischen Armeen aufhelfen?« 48 Und dann zweitens; »Modernes Zeitungswesen, und wie weit nutzt es und schadet es einem Volksheer in Kriegszeiten?«
    An solchen und dann meist im philosophischen Essaystil gehaltenen Auseinandersetzungen war nie Mangel, aber Personalfragen wogen doch vor und bildeten in der Regel den festen Punkt, von dem aus sich die weitere Betrachtung entwickelte: Gottfried Kinkel und der badische Feldzug; Oberst Rüstow und sein Wirken in Italien und der Schweiz; Skobelew-Wereschtschagin und Exkurse nach Turkmenien, Merw und Samarkand; endlich Garibaldi, Chancy, Bazaine. Welche Fülle der Gesichte! Dabei sprangen dann die Kriegstore klirrend auf, und zeigten allerlei Bilder, ebenso lehrreich wie farbenreich, von deren Vorführung ich hier ungern Abstand nehme. Nur eines sei wenigstens flüchtig wiedergegeben: ein Friedensbild.
    Ein Major vom Generalstabe (er war selbst der Erzählende) ward als Überbringer eines Kabinettsschreibens an den Erzbischof von Rouen, Kardinal Bonnechose, gesandt, und erschien im erzbischöflichen Palais in dem vollen Kriegsaufzuge jener Tage: hohe Stiefel, Pallasch und Revolver. Alles erschrak. Aber die Verhandlungen oben im ersten Stock nahmen einen sehr andren Verlauf, als unten die Dienerschaften gefürchtet hatten, und als nach fast einer Stunde der Major sich erhob, um das Antwortschreiben, das inzwischen im erzbischöflichen Sekretariat ausgefertigt worden war, in Empfang zu nehmen, erhob sich auch der Erzbischof selbst und sagte bewegt: »Ich vermag nicht auf die Sache, der

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