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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Sie dienen, den Segen des Himmels herabzurufen, aber ich segne Sie persönlich und werde für Ihr Haus und das Wohl Ihrer Familie beten.«
    So wechselte das Gespräch an der Tafelrunde zu Dreilinden. Inzwischen aber ging das Trinkhorn um, und auf der Rückseite der Tischkarte, der eignen und der nachbarlichen, entstanden Bildnisse von Künstlerhand, halb Genre halb Porträt, bis der Kaffee gereicht ward und mit ihm zugleich die Zigarre samt dem geschnitzten »Weichselholzpfeifchen«, einer Spezialität von Dreilinden.
    Und nun war auch die Zeit für »Frau Musika« gekommen. Einer der Gäste nahm seinen Platz am Instrument und intonierte leis (als ob er anfrüge) Fescas Frühlingslied: »Es glänzt im Abendsonnengolde, Der stille Waldesteich.« Er kannte es seit lange als ein Lieblingsstück des Prinzen und ein Kopfnicken gab ihm Gewißheit, daß er's getroffen. Aber schon folgten andre: »Das Ständchen« von Haydn, »Vineta« von Bollert, Rubinsteins »Asra«, »Vorrei morire« von Tosti, bis die soldatische Stimmung durchschlug und die »Königsgrenadiere« gefordert wurden, in die der Prinz alsbald mit einstimmte, was dann das Zeichen gab, seinem Beispiele zu folgen.
    Ein Höhengrad war erreicht. Aber die volle Festeshöhe wartete noch auf das »Gründungslied von Dreilinden«. Und nun schlug auch seine Stunde, das zusammengerollte Notenblatt erhob sich als Taktierstock immer energischer und höher und im Chorgesange scholl es durch den Saal:
     
    Auf zottigen Auerwildsdecken,
    Im Hochwald auf märkischem Sand,
    Einst lagen zwei schwartige Recken,
    Die zechten gar froh miteinand.
     
    Es rastete ihnen zur Seite
    Die kunstvoll geschaffene Wehr,
    Die steinerne Streitaxt, die breite,
    Der lederumflochtene Speer.
     
    Und ein Urhorn nach alt-deutscher Weise
    Der jüngre als Trinkhorn schwang,
    Den Zahn eines Mammuts der greise
    Mit sehnigen Fäusten umschlang.
     
    Eine stattliche Strophenreihe folgte, darin neben den »zwo schwartigen Recken« auch Odin und Thor ihre Rolle spielten, und während sich unter immer erneutem Humpengekreise (jetzt glücklicherweise nur noch im Liede) die Gründung von Dreilinden vollzog, erschien auch schon der Heiduck, um dem Prinzen die Meldung zuzuflüstern: »Die Wagen«.
    Aufbruch und Abschied folgten und ehe noch die Festeslichter in Dreilinden erloschen waren, blitzten auch schon wieder die Signal- und Bahnlichter auf, die die streng und eisern gezogene Linie der Realität uns zeigend, uns zugleich zurückbegleiteten aus dem Märchen in die Wirklichkeit.
     
6. Kapitel
     
Dreilinden im Schnee
    Um die Weihnachtszeit übersiedelte der Prinz nach Berlin und bezog seine Wohnung im königlichen Schloß; im »Jagdhause« draußen aber fielen inzwischen die Flocken auf Dach und Balkon, überdeckten heute den Vorplatz und morgen den Runenstein, und ehe noch vom nächsten Nachbardorfe die Glocke zur Christmette herüberklang, lag Dreilinden im Schnee.
    Und in Schnee lagen dann auch die Dreilinden und seinen Vorplatz umstehenden Tannen und mühten
sich
umsonst einen Einblick in die sonst so lichten Räume zu tun und auszuforschen, ob das Christkind, das sie still durch den Wald ziehen sahen, eine Krippe drinnen und einen Stern darüber gefunden habe. Doch wie weit sie die Wipfel auch neigen und bis über den Balkon hin vorbeugen mochten, sie sahen nichts als Nacht und Dunkel drinnen und hörten nichts als das Kind beider: die Stille.
    Wohl, kein Leben drin und kein Licht! Und doch zog das Christkind ein an dieser Stelle, nicht in das prinzliche Jagdhaus, aber in das Forsthaus nebenan, in das Forsthaus mit den »drei Linden« vor der Tür. 49 Da zog es ein, da schwebte der Engel über dem Weihnachtsbaum, und helle Kinderaugen, trunken von Glück und Freude, blickten auf zu den goldenen Nüssen in seinem dichten Gezweig.
    Ja, hier im Forsthaus überwinterte das Leben und mit ihm zugleich die gastliche Flamme, die dieser Stätte Kennzeichen war, bis, wenn der Schnee geschmolzen und der Saft wieder trieb, auch das aus seinem Winterschlaf erwachte prinzliche Jagdhaus seine Türen und Fenster aufs neue weithin öffnete! Dann kamen der Lenz und der Prinz (»Oculi, da kommen sie«) und ehe noch die Wochen und Tage bis Judica-Palmarum in der Zeiten Schoße dahin gerollt waren, rollten auch schon wieder die Wagen vor und ein Lichtschein ergoß sich aufs neue von Tür und Flur her über den Vorplatz. Im Flur selbst aber gab's wieder ein Flimmern von Uniformen und Livreen, von Buntglasfenstern und

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