Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Empfangnahme der Rente, ist durchaus zulässig; dieser Fall tritt aber sehr selten ein, weil das Einrücken in die »Stellen« mit zu großen Vorteilen verknüpft ist. Geräumige Wohnung samt Obst- und Gemüsegarten, Holz, Fisch, Wildpret und wahrscheinlich vieles andere noch – gehört zu den Klosterpertinenzien, so daß den in die Stelle einrückenden Damen nicht nur Gelegenheit gegeben ist, die ihnen verbleibende Rente zu gutem Teile zu sparen, sondern sich auch durch Gastlichkeit und Einladungen an arme Verwandte zu wahren Freudenspendern für die ganze Familie zu machen. Könnte man zusammenrechnen, wieviel Gebrechliche, wieviel kranke junge Frauen und bleichsüchtige junge Mädchen in vielmonatlichem Sommeraufenthalt hier wieder genesen sind, so würde das eine Zahl von Tausenden ergeben. Man hat in Mecklenburg, und wahrscheinlich auch bei uns in Preußen, mit diesen »mittelalterlichen Resten« aufräumen und den Reichtum dieser Stifte dem Fiskus, dem gesamten Lande zugute kommen lassen wollen, ein Vorhaben, über das ich weder nach der Rechts- noch nach der Klugheits- und wahren Vorteilsseite hin ein Urteil habe. Diese »Klöster« mögen also fallen, wenn sie durchaus fallen müssen. Mein persönliches Gefühl aber ist für Fortbestand derselben und zwar deshalb, weil ich in ihnen einen bestimmten, wenn auch vergleichsweise nur kleinen Segen direkt und unzweifelhaft vor Augen habe, während sich alles, was in den »großen Pott«, genannt Fiskus, fließt, meiner Wahrnehmung entzieht. Es ist dasselbe wie mit den Wohltätigkeitsanstalten; ich ziehe es vor, fünf bestimmten Personen jedesmal eine Mark zu geben, anstatt fünf Mark einer großen Wohltätigkeitskasse zugute kommen zu lassen, und keine nationalökonomische Gelehrsamkeit kann mir dies Gefühl nehmen. Allerdings gehöre ich auch zu den Ungebildeten, die die indirekten Steuern erträglicher finden als die direkten. Aller Stolz über eine erfüllte Bürgerpflicht »höheren Stils« ist mir fremd.
Und nach diesem Exkurse kehren wir zu unserem Fräulein von Rohr zurück, die nun im Sommer oder Herbst 1869 – es hatte nicht an allerhand Zwischenfällen gefehlt – als »Konventualin« eintrat und ihre Wohnung in einem alten Klosterkreuzgang bezog. An der Spitze des Klosters stand damals die Domina von Quitzow, eine schon neunzigjährige Dame, die, was Klugheit und Entschlossenheit anging, ihrem berühmten alten Namen alle Ehre machte. Selbst Preußin von Geburt, war sie froh, in Fräulein von Rohr »mal wieder eine Preußin« im Kloster zu haben, und in dieser Gesinnung verblieb die Neunzigjährige bis zu ihrem sechs Jahre später erfolgenden Hinscheiden; aber diese wundervolle alte Domina war auch das einzige Element, auf das sich die neue Konventualin mit Sicherheit stützen konnte. Die Mitschwestern im Kloster waren entweder gegen oder doch mindestens nicht für sie, was in dem vorwiegend antipreußischen Gefühl des damaligen mecklenburgischen Adels seinen Grund hatte, ein Zustand der Dinge, der durch den 1866 er Krieg und unsern Sieg über Österreich eher geschärft als gemindert worden war. Klosterhauptmann zu jener Zeit war Graf Joachim Bernstorff, Sohn des alten Gartower Grafen, der aus seiner welfischen Gesinnung kein Hehl machte. Seine Gemahlin, eine Freiin von dem Busche, vordem Hofdame bei der Königin Marie von Hannover, begriff den Wechsel der Zeiten und versuchte Frieden zu stiften, was ihrem liebenswürdigen Naturell ohnehin entsprach, aber sie kam damit nicht weit, weil der Graf bei der Mehrzahl der Klosterdamen seinen eigenen Gesinnungen wiederbegegnete.
Begreiflicherweise hatte Mathilde von Rohr unter dieser im Kloster herrschenden Strömung zu leiden, bis ihr ein Zwischenfall und der Mut, den sie dabei zeigte, zu einem großen moralischen Siege verhalf, der in seiner Folge die gegnerische Partei teils bekehrte, teils stumm machte. Das kam so. Eine der alten Damen – ich verschweige den Namen, um nicht nach zwanzig Jahren noch wieder böses Blut zu machen – erfreute sich einer kleinen Landwirtschaft, einer Kuh, die den Milchbedarf des halben Klosters bestritt. Aber da kam Krankheit und die Kuh wurde von einer so schweren Lungenseuche befallen, daß der Tierarzt anordnen mußte, sich ihrer so schnell wie möglich zu entledigen. Das geschah denn auch, aber nicht sehr vorschriftsmäßig, vielmehr erschien ein Schlächter aus Goldberg, um die Kuh zu kaufen und zu schlachten.
Ein Zufall fügte es nun, daß Mathilde von Rohr von dem
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